Tausende Frauen haben am Samstag (15.) gegen einen Gesetzentwurf (Lei (PL) 1.904/24) im konservativen brasilianischen Kongress protestiert, der Abtreibungen nach 22 Schwangerschaftswochen mit Mord gleichsetzen und Haftstrafen von sechs bis 20 Jahren vorsehen würde. Die Demonstranten marschierten die Avenida Paulista in Sao Paulo entlang und trugen Transparente, auf denen sie den Vorschlag ablehnten, den sie als den repressivsten Eingriff in die reproduktiven Rechte von Frauen seit Jahrzehnten bezeichnen. Menschen aller Altersgruppen, darunter viele Rentner und Kinder, füllten die Straßen und skandierten: „Ein Kind ist keine Mutter, ein Vergewaltiger ist kein Vater“. Abtreibung ist in Brasilien nur bei Vergewaltigung, fötaler Missbildung oder wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist, erlaubt. Sollte der von evangelikalen Abgeordneten unterstützte Gesetzesentwurf in Kraft treten, würden Abtreibungen von Vergewaltigungsopfern nach 22 Wochen Schwangerschaft als Mord gelten.
Feministische Gruppen kritisierten, dass die vorgeschlagene Gesetzgebung härtere Strafen vorsieht als die, die Vergewaltigern in Brasilien auferlegt werden. Sie argumentieren auch, dass die Änderungen große Auswirkungen auf Kinder haben würden, die von Familienmitgliedern missbraucht werden. Solche Kinder, denen oft das Verständnis oder die Unterstützung fehlt, um sich selbst als Opfer eines Verbrechens zu erkennen, entdecken ihre Schwangerschaft oft erst spät. Präsident Luiz Inacio Lula da Silva nannte den Gesetzentwurf „verrückt“ und sagte, seine Regierung werde die geltenden Gesetze verteidigen, die Vergewaltiger bestrafen und ihre Opfer mit Respekt behandeln. „Es ist irrsinnig, eine Frau mit einer höheren Strafe belegen zu wollen als den Kriminellen, der die Vergewaltigung begangen hat“, so Lula auf einer Pressekonferenz beim Gipfel der Gruppe der Sieben (G7) in Italien.
Die Proteste begannen am Donnerstag in den größten Städten Brasiliens, nachdem die untere Kammer des Kongresses dafür gestimmt hatte, das Gesetz im Schnellverfahren zu verabschieden, wodurch die Debatte über den Vorschlag eingeschränkt wird. Angesichts der Kritik, dass Vergewaltigungsopfer, die eine Abtreibung vornehmen lassen wollen, härter bestraft werden könnten als Vergewaltiger, sagte der Verfasser des Gesetzentwurfs, Sostenes Cavalcante, dass er härtere Strafen für Vergewaltigung vorschlagen werde, die derzeit bis zu 10 Jahren Gefängnis betragen können. Cavalcante ist ein evangelikaler Pastor und Mitglied der Partei des ehemaligen rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro.
Die wütende Reaktion in den sozialen Medien könnte das Vorankommen des Gesetzentwurfs verlangsamen. Parlamentspräsident Arthur Lira plant nicht mehr, den Vorschlag in nächster Zeit im Plenum zur Abstimmung zu stellen, und erwartet, dass der Text geändert wird. Noch unsicherer ist die Verabschiedung im Oberhaus, wo die rechtsgerichteten Senatoren weniger Einfluss haben, und Senatspräsident Rodrigo Pacheco hat erklärt, der Gesetzentwurf müsse in den Ausschüssen diskutiert werden. Die First Lady (Primera Dama) Rosangela da Silva kritisierte den Gesetzesentwurf und erklärte in den sozialen Medien: „Der Kongress sollte daran arbeiten, den Zugang zu legalen und sicheren Abtreibungen durch das nationale Gesundheitssystem SUS zu garantieren.“ Die restriktiven Abtreibungsgesetze Brasiliens führen dazu, dass viele brasilianische Frauen, die eine Schwangerschaft beenden wollen, auf unsichere illegale Abtreibungen und verpfuschte Eingriffe zurückgreifen, die jedes Jahr Dutzende von Todesfällen verursachen.
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