Straße zum Himmel ist natürlich leicht übertrieben, denn Fahrer und Fahrgäste kamen mit dem Schrecken davon, doch der genügte. Über die Route des Montagnes Noires, die Straße der Schwarzen Berge, habe ich ja schon Vieles geschrieben, und werde das fleißig so weiterhandhaben. Es ist das steile Trassee, das an den grenzenlosen Ärzten vorbeiführt, steil aufwärts, steiler und noch steiler, über Löcher und Halden, bis nach bald einer halben Stunde die zweite Abzweigung abdriftet, nach Westen, falls Sie mich einmal besuchen wollen.
Die Steinstraße der Schwarzen Berge ist noch lange nicht am Ende, sie keucht noch weiter aufwärts durch prächtige Haine und Bananenselven, ich bin da auch schon mal zu Fuß raufgekeucht. Jetzt leiste ich das nicht mehr. Auch mein Mazda Motor leistet, trotz Vierradantrieb, diese Strapaze nicht mehr. Den damaligen Endpunkt der Bergstraße habe ich noch geschafft, vielleicht hätte ich es mit den rumstehenden Pferden auch noch bis zum Morne La Selle gebracht, mit 2.674 m der höchste Berg Haitis. Da hier die Morne oder gutdeutsch Berge aber schon ganz unten, die sogenannte Normalnull zu steigen beginnen, sind deren Höhen hier von Anfang an absolut. Wie viel das bis zum Himmel ausmachen würde, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis.
Es ist auch die Strasse, die bei den häufigen Platzregengüssen zum reißenden Strom wird. Über die dann weggeschwemmten Menschenopfer und steckengebliebenen Pannenfahrzeuge habe ich ja schon berichtet, bei Regen bleibe man lieber Zuhause.
Die erwähnte Abzweigung nach rechts heißt Impasse Bossier Prolongé und führt ein paar Meter geradeaus, was dem Motor wohl bekommt. Wie bei einer rechten Skipiste gibt es dann Steilen und Gegensteilen, nochmals mit Unwetterkonsequenzen wie geschildert, und endlich führt das Sträßchen steil hinunter zur Brücke, wo das Kunststück Parkieren und Wenden angesagt ist.
Die eigentliche Himmelsstraße beginnt erst bei der Brücke. Sie hat mit einer Straße nur noch den Namen gemeinsam und führt höher und höher, aber nur noch Minuten. Und nur noch für tollkühne Jungfahrer, die mit ihren Klapperkisten doch noch beweisen wollen, dass sie es besser können. Vor ein paar Tagen bewies es der Lenker eines Brummis, sogar nur noch Sekunden lang. Dann wollte das sein Fuhrwerk nicht mehr mithalten, und es legte sich zur Seite. Alle überlebten, die Impasse Bossier Prolongé wurde zum Glück noch keine Himmelsstraße. Aber „Prolongé“ ( verlängert ) war sie für ein paar Tage auch nicht mehr, denn jetzt war sie blockiert. Was man „bei uns“ mit Maschinen erledigen würde, ist hier alles Handarbeit. Denn Maschinen leisten es auch nicht bis hierher. Aber Einigkeit macht stark, und jetzt steht die Karre wieder.
Wenn ich „heim“ zur Bergburg will, stapfe ich wie die meisten, die verwegen in Felshalden oder auf Kämmen wohnen, zu Fuß weiter, und oben wo die Erosionskante einmündet, steige ich über diese noch wenige Minuten abwärts, bis ich vor dem Tor zur Bergburg stehe. Wenn man die Prachtaussicht von hier oben betrachtet, vom blauen Golf und der Prinzenstadt über beide Kordilleren und die Seen hinweg bis nach der Dominikanischen Republik, die täglichen, unglaublichen Erlebnisse dazu addiert und die prachtvollen Menschen erkennt, die hier überleben und weiterleben, dann begreift man den Titel meiner Geschichte, ein wenig.
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