Der Preis des Paradieses

Datum: 26. November 2009
Uhrzeit: 20:49 Uhr
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Autor: Otto Hegnauer
Sprachkurs Spanisch (Südamerika)

BarEs war ein Beinahe-Job. Wäre ein Traumjob gewesen, als Medienberater einer Regierung in einem aufstrebenden asiatischen Schwellenland, auch in den Tropen. Beim Schluss-Vorstellungsgespräch – die Reise- und übrigen Spesen wurden natürlich vergütet – zerriss man mir den beidseitig bereits unterzeichneten Vertrag unter meinen Augen, ich glaube dass ich zu viel (und zurecht …) gemeckert hatte, aber „offiziell“ weil ich ein „zu schillernder Vogel“ sei. Stimmt natürlich, nur meckere ich, dass dies meines Erachtens eben mein Vorteil gewesen wäre.

Mein Haus in Haiti war schon im Bau, und mein Clan nun glücklich, dass ich nicht nach Asien auswanderte (obschon die Familie das kalte Europa vorzieht, wo man nur Knöpfe drücken muss dass etwas geschieht). Die Familie drüben hat auch seine Vorteile (die man stets auch sehen muss), keine der üblichen „Kräche“, kein Dreinreden und Fremdbewirtschaften und wirkliche Freiheit. Ich genieße das so sehr, dass ich kein Bedürfnis mehr habe, den beschwerlichen Flug nach Europa auf mich zu nehmen. Und vor allem die erniedrigenden Umsteigezeremonien, vor allem in den USA.

Einmal als meine Familie da war, veranstalteten wir eine lautstarke Party, die Bar im Freien war eigentlich dafür vorgesehen. Aber man verändert sich mit dem Alter, ich für mich habe Partys und laute Musik nicht mehr nötig, aber ich verstehe und toleriere die Jüngeren, die das halt brauchen. Auch meine Familie. Item, der Musiklärm dauerte die ganze Nacht. Hinter meinem Haus wohnte ein Nachbar, ich nenne ihn Mac, den ich dadurch kennen lernte. In Wirklichkeit heißt er anders, aber in den USA möchte ich lieber nicht mit der „Verletzung von Persönlichkeitsrechten“ zu tun haben. Er kam sich am nächsten Morgen vorstellen und lud mich das erstemal zum Frühstück ein, weitere Einladungen folgten, hin und her. Eine nette Art, sich für Nachtruhestörung zu revanchieren.

Mac kommt mir auch als „schillernder Vogel“ vor. Als einstiger Leiter weltweiter Disney-Unternehmen – er hat mir noch „lebenslange“ Vorteile bei dem Konzern versprochen die meine Kinder sogar noch nutzten – hat er sich vorzeitig pensionieren lassen und sich der Theologie zugewandt. Während der Gründung von Missionswerken und Schulen in Haiti lernte ich ihn als Nachbarn und Freund kennen; er liebte ein paar Bier und auf meiner Terrasse diskutierten wir über Gott und die Welt. Wir radebrechten und kauderwelschten denn Fremdsprachen allgemein und Englisch insbesondere ist nicht meine Stärke. Und Deutsch die seine schon gar nicht, dafür sprach er hervorragend Kreolisch. Und als Profi-Bibelinterpret kannte er sich in Babylon etwas aus – er war es auch, der die Haiti üblichen Zwischenfälle „Preis des Paradieses“ nannte. Wir verstanden und verstehen uns gut. Er politisierte drüben auch ein wenig und kam gelegentlich sogar mit einem oder zwei Senatoren vorbei, um mein Heiligtum vorzuführen. Dann pflegte ich mich beim politischen Geschwafel etwas vorsichtiger auszudrücken als mit ihm allein.

Er versuchte sich auch als Hotelier, verschwand aber zu oft rüber nach dem nördlichen Nachbarland und lernte da – wie ich in Haiti – mit Internet und allerhand damit machbaren Geschäften umzugehen. So fabrizierte und handelte er – offenbar mit Erfolg – auch Gartenschaukeln. Weiss Guggers noch was, jedenfalls passt er zu mir als „schillernder Vogel“ ausgezeichnet. Dank e-Mail schillert auch die Verbindung prächtig hin und her.

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Die exklusive Haiti-Kolumne im latina press Nachrichtenportal von Otto ‚Swissfot‘ Hegnauer. Der ehemalige Lehrer lebt seit mehreren Jahrzehnten auf Haiti und berichtet exklusiv von seinem täglichen Leben auf der Insel Hispaniola.

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