Haiti: Martelly for President

Martelli

Datum: 26. August 2010
Uhrzeit: 09:30 Uhr
Leserecho: 2 Kommentare
Autor: Otto Hegnauer
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Am Freitag 20.August gab um 2010 der Weisen-, pardon, Wahlrat CEP seine Entscheide bekannt, zum Beispiel die Annahme der Präsidentschafts-Kandidatur von Michel Martelly und damit des zweiten großen Musikers. Als Staatspräsident ist man allerdings durch seine Vorgeschichte geprägt, und die manchmal vulgären Auftritte dürften ihm jetzt zum Verhängnis werden.

Michel ist in den letzten 22 Jahren mit seiner Sweet Micky Band und mit seinem freizügig vorgezeigten Po berühmt geworden, seine Musik war trotzdem gut und wurde auch „Bon Konpa“ (Guter Konpa) genannt. Jetzt gab Martelly die Auflösung der Erfolgsband bekannt. Er benötige die Zeit zur Vorbereitung seiner Wahlkampagne und verabschiede sich mit großem Dank von all seinen Fans, die ihn jahrelang unterstützt hätten. Tönt ja seriös, Kandidaturen fordern eben ihren Preis.

Ich meine, mehr als der Musiker stellen sich die Weisen des Wahlrats bloß, wenn sie einem die Kandidatur für das höchste Amt des Landes gestatten, der seine Fan-Gemeinde durch Herablassen der Hosen und Vorzeigen von Nacktheiten aufpumpte – möge die daneben präsentierte Musik so gut sein wie sie wolle. Politik ist keineswegs zu verwechseln mit Musik, auch wenn sie sich dem Show-Business verdächtig nahe bewegt.

Der Entscheid der Weisen ist umso unbegreiflicher, als im gleichen Atemzug dem ebenfalls ums Präsidentenamt kämpfenden Rapperkollegen Wyclef Jean die Zulassung verweigert wurde, obschon sich der schon mit tausenden extern und privat finanzierten Hilfsprojekten um Volk und Staat verdient gemacht hatte (Schwer zu bewegen). Selbst seine Anwälte mussten am Fernsehen einräumen, dass Gesetze und Wahlsystem unzeitgemäß seien, was ich als Nichtanwalt schon lange gemerkt hatte, dass da gegen grundsätzliche Menschenrechte verstoßen werde usf. Aber warum hat man denn solche Gesetze und Systeme seinerzeit angenommen? Jetzt gelten sie eben, und für derartige Exkurse ist es zu spät.

Dass Bananenrepubliken mit Strohmännern und -Puppen, mit vorfabrizierten Familien- und Interessenclans entscheiden über Zulassungen oder nicht und die Volksmeinung nach Gutdünken trampeln, verhindern und mit mehrheitsfeindlichen aber legalen Tricks fummeln, macht niemand bekannt. Es wird von Wahlbeobachtern, UNO-Gremien, Investoren, „Geberländern“, Kirchen, Onkel Tom-Gruppen, Weltgemeinde etc. geduldet, dafür ist ja das Gesetz gemacht.

Durch die Jahnhundertkatastrophe wurde die Aufmerksamkeit der Welt auf Haïti fokussiert. Ein paar Milliarden wurden gespendet, und das Gewissen ist wieder gut. Die Trümmer liegen, und die Zelte stehen immer noch. Der abgelehnte Wyclef war zu nahe dabei und weiß zu viel über den Verbleib der Milliarden, das hätte gefährlich werden können.

Was braucht es denn noch, dass die anwesenden und die von ferne beobachtenden Ausländer etwas merken? Sich in ihren Scheuklappen nicht mehr wohl fühlen? Ein Leser meint, die Hilfe dürfe nicht von außen kommen. Die Haitianer müssten sich von innen her selbst etwas neues für sich ausdenken – alles von außen müsse scheitern. Aber die die von innen her denken, die will man nicht, die fürchtet und verhindert man.

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Die exklusive Haiti-Kolumne im latina press Nachrichtenportal von Otto ‚Swissfot‘ Hegnauer. Der ehemalige Lehrer lebt seit mehreren Jahrzehnten auf Haiti und berichtet exklusiv von seinem täglichen Leben auf der Insel Hispaniola.

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  1. 1
    Jean-Luc

    Michel Martelly hatte 1988, damals noch als One-Man-Band, seinen ersten großen Hit „Ou la la“… und im Jahre 1998 wurden von niemandem mehr Lieder gespielt als von ihm („Mon Colonel“ etc.) – innerhalb von zwei Jahren veröffentlichte er 34 Songs… und er war immer sehr erfolgreich mit seinen Karnevalsliedern…

    (Er war halt auch immer ein Entertainer, dazu passten seine hin und wieder karnevalesken Verkleidungsauftritte… )

  2. Ich zweifle keineswegs an seinen Patentrezepten in den Fächern Gaudium und Zeitvertreib. Aber ich zweifle daran, dass das für das schwierigste Präsidentenamt der Welt reichen soll. Gassenhauer-Longseller in der Musik sind bestimmt nicht eher zu erringen, aber gewiss leichter als ein immergrüner Präsidentenjob, der ohnehin nach 5 Jahren verpufft. Die Verfassung ist da schon richtig eingerichtet.

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