Zu tausenden warteten in den verschiedenen Sklavenhäfen die Angeketteten auf ihre „Befreiung“ durch die Käufer. Vor allem wurden sie in die zahllosen Zuckerrohrplantagen verteilt. Und die dienten ja schon damals nicht dazu, um vorwiegend Nahrungsmittel zu produzieren – wie Zucker und sogar Melasse, sondern Suchtmittel, denen ich, zugegebenermaßen, auch nicht abgeneigt bin, aber in nützlicher Mini-Dosis. Heute kommt die Ethanolproduktion, also die Fütterung der Autos der Reichen dazu, die die Nahrung der Armen verschlingen.
Die Sklaverei in den dominikanischen Rohrfeldern ist zwar noch heute gang und gäbe, arbeiten dort doch ausschließlich papierlose Haitianer unter sklavenähnlichen Umständen. Dazu kommen die Schindereien auf fast allen Bauplätzen, die ebenfalls von illegalen, kaum bezahlten haitianischen Arbeitskräften vollführt werden. Man wird das Gefühl nicht los, dass dort drüben nur Haitianer arbeiten, und sich die arbeitsfaulen Dominikaner auf ihrem Rücken nur vollkassieren. Allerdings – nicht nur dort.
Je nach Eignung und Neigung konnten die Sklaven früher allmählich einige Berufe erlernen: Schuhmacher, Schreiner, Maurer, Schmied oder Kindermädchen. Ein besonders Begabter lernte sogar europäische Geige spielen. Die erste Geige war es allerdings bei weitem nicht.
Für außerordentliche Leistungen wurde hie und da ein besonders Glücklicher mit der Freiheit beschenkt. Aber erst um die 18.Jahrhundertwende setzten die haitianischen Leibeigenen ihrer unrühmlichen Lebensart ein Ende, und der blutige Aufstand gegen die Kolonialmächte gelang. In anderen Ländern, vor allem in den USA, gingen die miesen Verhältnisse noch jahrzehntelang weiter. Und auch in Haiti ist der faktische Unterschied zum Leben von heute nicht groß.
In Lebensverhältnisse wird man bekanntlich hineingeboren, ungefragt und unfreiwillig. In eine Hautfarbe, in eine Zeitepoche, in ein Land, in ein Elternhaus, in eine Kultur, und in anderes mehr. Nach „Gerechtigkeit“ wird da nicht gefragt, die ist ein Konstrukt unseres Hirns. Mit außerordentlichen Leistungen kann ein Ausbruch aus dem Geburtsumfeld gelingen, etwa in der Kunst, im Sport, mit geistig-beruflichen Leistungen, oder mit Geld und Heirat. Liebe ist schwer überprüfbar, Heirats- und Sexgeschäfte treiben skurrile Blüten, einerseits um zu Münzen zu kommen, anderseits um aus den miserablen Verhältnissen auszubrechen. Und schon sind wir wieder beim Titelthema.
Schmutzgeschäfte jeder Art werden vermittelt, von gekauften Scheinheiraten bis zu Drogen- und Menschenhandel, skurrile Sexspiele, verbotene unschöne Geschäfte mit Kindern, Animierjobs zur Konsumation teurer Getränke, Schwarzarbeit mittels Unterbezahlung der Opfer, alles wird erfunden, um aus dieser nicht lebenswerten Umwelt herauszukommen, auf der anderen Seite um leichtes Geld zu machen. Familien und Clans steuern zusammen, Haus und Boden werden verkauft, um einem Mitglied die Ausreise zu ermöglichen, das nach „Erfolg“ für die Existent der ganzen Gruppe zu sorgen hat. Der nachfolgende psychisch-soziale Druck auf die Opfer ist so immens, dass viele gar nie mehr zurückreisen zu ihren Familien, weil sie deren Bedingungen nicht erfüllen können.
Das alles ist Sklavenarbeit. Sklavenarbeit ist keineswegs ein Merkmal der Vergangenheit. Sklavenarbeit gewinnt mit Bevölkerungsexplosion und Globalisierung an Aktualität, jeden Tag. Sklavenarbeit ist ein Stück unbewältigte Menschengeschichte. Sie hat mit Rassedünkel zu tun. Das zieht sich von den Nubierinnen Ramses‘ durch bis zu den Kriegsgefangenen Hitlers, und ist auch bei den heutigen „Rouges“, den hellhäutigen Inselbewohnern Haitis nicht anders. Was muss geschehen, um ein paar tausend Jahre Kulturgeschichte zu korrigieren?
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