Der Hurrikan Tomas, der über Haiti und Dominikanische Republik hinweg zog, war nicht so gnädig, wie die Zeitungen 24 Stunden nach dessen Durchzug berichten. 20 Tote, aus gestern noch 7 Vermissten sind heute 32 geworden.
Trotz des Gnadenaktes hinterlässt uns Tomas ein nachhaltiges Erbe. Der Blutzoll bleibt mit 20 Toten zwar erträglich, wenn man ihn mit den 500 Toten von 2008 und den Erwartungen vergleicht. Dazu kommen 36 Verletzte, die Zahl der Vermissten ist je nach Quelle von 7 Vermissten auf 32 Verschwundene gestiegen. Sie wollten ihre Heimstätten unbedingt noch erreichen, und haben die Missachtung aller Warnungen mit dem Leben bezahlt. Alle wollten die reißenden Flüsse zu Fuß oder auf Fahrzeugen überqueren, bis sie den Boden unter den Füssen verloren und weggespült wurden. Es werden noch mehr daraus.
Die Argusaugen der Behörden, Organisationen und Blauhelme und die Abschwächung der immer noch fürchterlichen Niederschläge, die Flüsse und Meer überborden ließen, haben bis dato ein Haiti wie nach den vier Hurrikanen 2008 verhindert, die damals 800’000 Obdachlose hinterlassen hatten. Über die Zahl der zerstörten Heimstätten weiß man noch nichts, auch nicht über die Summe der Evakuierten es muss eine Horrorzahl sein, allein in Léogâne 2000 aus Zelten übersteigend, Häuser gab es ja ohnehin kaum eines mehr.
Präsident Préval hat alle Städte und Krisengebiete sofort bereist und persönlich Hilfe und schweres Instandstellungsgerät versprochen, das unverzüglich zum Einsatz kommen soll. speziell im fernen Süden, wo das ganze Straßennetz und die meisten Tiefbauten zerstört sind. Die öffentliche Meinung anerkennt diesmal hochgradig die Anstrengungen von Regierung und Organisationen, die die Bevölkerung sensibilisiert und begleitet haben, sodass das Schlimmste wie bei den früheren Wirbelstürmen vermieden werden konnte. Jetzt erwarten die Menschen einen Großeinsatz der Helfer, um die Infrastrukturen zu reparieren und die Leiden zu lindern. Trotz der unerwarteten „Milde“ wird der im Volk verbreitete Unmut seine Auswirkungen haben und die ohnehin schon desolate sozialökonomische Situation noch verschlimmern.
Die Flüsse werden weitere Fluten aus den Bergen herbei wälzen und Kulturen und Straßen, Brücken und Wohnhäuser in Mitleidenschaft ziehen, die Schadenbilanz ist noch nicht absehbar und wird noch ansteigen. Die Überschwemmungen nehmen noch zu, und die eben wütende zweite Katastrophe, die Cholera, wird sich noch schneller und noch weiter verbreiten. Sie hat ihrerseits bereits 724 Menschenleben gekostet und 11.000 Patienten in Spitäler gewiesen. Auch in der Dominikanischen Republik sollen sich Menschen infiziert haben, merkwürdigerweise hält die Regierung dort die Laborergebnisse zurück.
Ein Blick auf die einzelnen Regionen ergibt, Grand’Anse, den Süden, den Südosten, Nippes und Artibonite zusammengenommen, dass die Sturmböen und Sintfluten die Landwirtschaft hart erschüttert haben, vor allem die Winterernte und das Straßennetz. Im Südosten werden die Verluste von der Landwirtschaftlichen Coordination Nationale de la Sécurité Alimentaire, der staatlichen Koordinationsstelle für Ernährungssicherheit, auf 20 bis 30% geschätzt. In der Grand’Anse , dem wichtigsten Kornspeicher für die Zweimillionen-Agglomeration, hat die Berglandwirtschaft durch Stromstöße herbe Verluste erlitten, und intensive Regengüsse haben den Ertrag an Bohnen und Wintergemüse arg dezimiert. Im Süden hat Tomas den Ernten von Kongoerbsen und Perlhirse (Petit Mil) durch Wind und Regen ungemein zugesetzt, und auch die weiten Reisfelder des Artibonite und die Bananenhaine von Léogâne und Arcahaie haben ihm hohen Tribut bezahlt.
Die Ernteeinbußen sind ein Orakel für eine düstere Zukunft der Bauern in einem Augenblick, da die Lebensmittelversorgung für einen Großteil der Bevölkerung ohnehin nicht gewährleistet ist.
Leider kein Kommentar vorhanden!