In Haiti bekommt alles eine unheimliche Geschichte, selbst ein Buchdeckel. Als ich das Bild für den Buchdeckel von Alma Zombie aufnehmen wollte, erlebte ich folgende Geschichte, die nicht im betreffenden Buch zu lesen ist.
Ich fuhr trotz Choleragespenst und Schiesswütigen hinunter in die Stadt, an übervölkerten Zeltlagern, schrecklichen Ruinen und endlosen Schuttfeldern vorbei. Ich begab mich mitten ins Chaos, wo die noch stehenden Mauern vollgemalt sind mit Eindrücken der Künstler. Hier, im Nachbarland der Dominikanischen Republik, haben eben nicht nur die Gespenster, sondern auch Mauersprayer und Pistolenhelden noch ihre Freiheit und es muss nicht alles „sauber“ aufgeleckt sein wie bei uns. Mit Cholera hat diese „Unsauberkeit“ rein nichts zu tun.
An diesem Tag pilgerte auch Ghede, der Gott des Todes und der Fruchtbarkeit, in die Welt der Lebenden, in die Realität. Geködert von Houngans und Mambos – Voudou-Priestern und Priesterinnen -, mit Musik, Fetischen wie Totenschädeln und anderem höllisch bis himmlischem Zaubertand. Deshalb heißt der Tag auf Kréol „Jou Gède“.
Das Bild, auf das ich es abgesehen hatte, zeigt einen Rada-Altar aus einer Voudou-Zeremonie, mit Kreuz, Totenschädel und weiterem einschlägigen Zaubertand neben einem brennenden Feuer. Das Straßenbild heißt bei den Einheimischen „Baron Samedi“ und scheint dem in den Beilagen beschriebenen Friedhofherrscher gewidmet zu sein. Während Melissa im Auto blieb und eine unannehmbare Verkehrsstörung vermied- denn der „Verkehr“ auf der Route de Delmas ist unbeschreiblich und müsste eher als Verstand oder noch besser als Unverstand bezeichnet werden -, nehme ich mein Zielobjekt, das „Graffito Baron-Samedi“ ins Visier. Als Blanc (Weißer, nach landläufiger Vorstellung Münzstreuer) komme ich selber sogleich ins Visier der Cocorats, der Straßenschlingel, die natürlich überall vorhanden sind, wie Cholera-Bakterien. Und mich gleich umringen und bedrängen.
Am interessantesten ist meine Kamera, die man mir aus der Hand reißen und „entleihen“ will, man offeriert mir auch, sie neu zu programmieren (…..!) oder zu reinigen. Man bittet mich auch unbescheiden um eine halbe Million US$ und um ein neues Haus, ich muss antworten, ich hätte selber keines mehr. Und ein Kerl will mich nach Gresye begleiten um mein einstiges „Haus“, heute ein riesiger Schutthaufen, abzukaufen- er bietet mir Barzahlung. Am unheimlichsten der Typ, den meine Begleiterin als Houngan erkennt. Dieser erklärt mir, daß Baron Samedi hier wohne, wie gefährlich der heute sei und dass er sich auskenne und mich gegen einen Kostenbeitrag schütze. Dazu umklammert er fest meinen Arm und streckt ihn schließlich hoch in die Luft, begleitet von wirren Zaubersprüchen. Melissa sagt, er habe für mich gebetet, doch ich reiße mich schließlich erfolgreich los und suche das Weite. Schnell suche ich ein Fass mit Wasser, Hände waschen- hoffentlich war das Wasser sauberer als die Hände des Houngan.
An den einheimischen Fernsehstationen mobilisieren Spots gegen die Cholera, die diejenigen der Präsidentenwahl verdrängen und auch vom Staat geboten werden. Einer davon zeigt jemand, der sein Gegenüber grüßen und ihm die Hand geben möchte. Der freundlich Begrüßte dreht sich weg und weist die höfliche Hand zurück mit der Bemerkung, Händedrücke dürfe man zur Zeit nicht mehr verschleudern.
Das Cover zu meinem Buch ist nun im Kasten und das ganze Paket geht noch heute übers Internet an den Verlag. Begleitet von den besten Wünschen von Baron Samedi (Baron Samedi ist der Gott der Friedhöfe).
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