Motivation ist ein Fremdwort, aber wohl das wichtigste. „Intrinsische Motivation“, nochmals ein Fremdwort. Ich sage lieber Lust, ich hasse elitäre Sprache. Ich möchte von jedermann (und jeder Frau) verstanden werden! Nach meinem Weltbild besteht alles aus zwei Polen, Plus und Minus, Mann und Frau, Leben und Tod, oder was man will. Dazwischen entsteht die Spannung, das Leben. Doch dieses Weltbild ist nur zweidimensional, quasi digital. Es passt in die Welt der Computer und Roboter, der Googles, die nur noch „Content“ und „Nocontent“ kennen, die Bilder, Musik und andere Grauwerte verbannt haben.
Wenn wir diesem Weltbild die fehlende, dritte Dimension zufügen, wird eine Kugel. Die Kugel dreht sich, so wie der Mond, und lebt, sie atmet und verformt sich, so wie unser Planet. Sie wird von der Sonne beschienen – sie hat eine Sonnen- und eine Schattenseite. So wie alles. Alles hat seine Vor- und Nachteile, wir müssen das wissen. Wenn wir viele Nachteile sehen, vielleicht zu viele, müssen wir den Standort wechseln. Sodass wir mehr von der Sonnenseite sehen. Im Bewusstsein, dass gegenüber die Schattenseite liegt. Seit ich das weiß (das war schon in meiner Jugend), lebe ich besser. Und ich bemühe mich bei allen Schwierigkeiten, die Vorteile der neuen Lage zu suchen. Und wie die Kugel ihre Sonnenseite, so hat JEDE Lage ihre Vorteile!
Ich bin kein Schriftsteller und kein Psychologe. Zum Glück, denn so genieße ich die Freiheit, die Dinge hier in Haiti und der Dominikanischen Republik so zu schildern, wie ich sie sehe und erlebe. Ich kann schreiben wie ich will. Zum Beispiel „lustvoll“ statt „intrinsisch motiviert“. Im Lusthaus sehe ich vier Stockwerke:
Im Keller herrscht nicht Lust sondern Frust, Stil „Das Leben ist Scheiße“
Wenn es dich betrifft – ich hoffe das nicht – bist du auf der Schattenseite. Such die Sonnenseite deiner Kugel. Wenn scharfes Licht fehlt, musst du selbst die Sonne suchen, sonst entsteht weder Licht noch Schatten – und alles bleibt diffus. Wechsle Deinen Job, und was sonst nicht stimmt.
Ich selbst hätte gegenwärtig allen Grund, frustriert zu sein. Hier in Haiti funktioniert die Post nicht, und es geht oft jahrelang, bis etwas ankommt. Für die Altersversicherung in der Schweiz (AHV) muss man alljährlich innert einer gesetzten Frist ein „Lebensbestätigungs-Formular“ zurücksenden, das geht nicht „auf Vorrat“, und das Formular ist seit Monaten überfällig. Mit ihm auch die Zahlungen meiner Altersrente, denn offiziell bin ich seit Monaten gestorben. Meine hiesigen Reserven sind aufgebraucht, die Demargen bei Botschaft und AHV selbst laufen, aber die Büro-Mühlen mahlen langsam. Es war schwierig, Vorteile der misslichen Lage zu finden, aber es gelang mir. Ich habe Haus und Garten verlassen und wohne jetzt mit Einheimischen unter Wellblech und habe gelernt, wie man ohne Geld leben kann. Ich habe auch gelernt, was für herrliche, selbstlose Leute das sind, die hier ohne Mittel überleben. Sie haben ja kaum Arbeit und verdienen nichts. Die sind mindestens so sauber wie wir, waschen und putzen den ganzen Tag und tragen das Wasser auf dem Kopf weit her, um täglich zu baden. Wenn sie mal einen Dollar haben, kaufen sie mir eine Zigarre, ein Stück Roquefort-Käse, ein Glas Wein oder sonst was ich liebe und zur Zeit entbehren muss – sie haben entdeckt was das ist. In Ermangelung von Zähnen kann ich auch kaum mehr essen. Aber meine Gastgeber kochen mir herrliche Brotsuppen und duftende Gemüseplatten mit einheimischen Gewürzen und Kräutern, die sie in der Natur finden, sauber wie im Luxushotel. Und dies ohne dass ich ihnen je etwas geben konnte ! Trotzdem sie nichts haben, haben sie Lust, mir Freude zu bereiten! Sie haben auch Freude am Leben, singen, tanzen und zeigen ihre Lebenslust wo sie nur können. Sie motivieren mich tatsächlich! Motivation ist ansteckend. Wir können von diesen Menschen lernen.
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