Haiti: Tod aus dem Handy

Handytod

Datum: 04. März 2011
Uhrzeit: 20:03 Uhr
Leserecho: 0 Kommentare
Autor: Otto Hegnauer
Sprachkurs Spanisch (Südamerika)

Dass im Lande der Zombies alles möglich ist, getrau ich mich kaum mehr zu schreiben, ich dresche nicht gern alten und zudem vernäßten, verseuchten Stroh. Dass die Entwicklung der Regeln und Gesetze mit der der Medien längst nicht mehr mithält, ist ebenso alt. Und dass dies für die jungen Kandidaten nicht gilt und die so clever und gebildet sind, dass sie davon profitieren, ist so klar wie die tropische Sonne, die jeden Tag neu auf Haiti niederbrennt.

Um zur Sache zu kommen, bevor wieder etwas Neues geschieht im Lande der Wunder: die Präsidentschaftskandidaten haben ihre täglich neu gestalteten Telefonseiten- lies Wahlzeitungen oder sogar Wahlradios, die über kurze, eingängige Nummern kostenlos angerufen werden können. Da kann sich jeder durchklicken und interaktiv geeignete Musik- und Radioprogramme finden, völlig unkontrolliert, vor allem durch wunschstaatliche Zensuren.

An sich eine tolle Sache. Ich finde nur, dass damit Unfug und Missbrauch Türen und Tore noch weiter aufgesperrt bleiben. Bereits wird gemunkelt, dass ausländische Großmächte sich in zweckbestimmten Geldgeschenken an Maniga und Martelly überbieten. Aber das Gute daran, dass ich an jeder Situation zu suchen pflege: Haiti, der Nachbarstaat der Dominikanischen Republik, ist ja wohl schon verkauft- an die großen Hilfswerke und NGOs. Da gibt es wohl nichts mehr zu holen.

Aber das neueste Gerücht, von gestern Abend – oder kann man dem noch „Meldung“ sagen – dass jetzt sogar der Tod aus dem Handy drohe. Und jedermann glaubt’s, und es macht Panik und Wirkung, was will man noch mehr. Wenn man von bestimmten Nummern mit vierstelligen Todesgruppen angerufen werde und abnehme, falle man auf der Stelle in Totenstarre. Die Telefongesellschaften hätten, laut TV-Meldungen, alle diesbezüglichen Nummern blockiert, aber alle Nachforschungen hätten noch nichts ergeben.

Da ist schon wesentlich sympathischer, dass die Kronkandidaten jetzt auch Rap-, Kompa- und Reggae-Geschenke über Handy verteilen; im Gegensatz zu Sweet Micky ist da Madame Manigat im Hintertreffen, dass sie eigene Produkte von sich gibt, wäre denn doch zu viel der haitischen Wunder; ihr Gezwitscher am Handy würde wohl auch närrisch tönen und damit zum Karneval passen, immerhin auch wieder ein Trumpf. Im Übrigen könnte sie ja auch mit all dem ausländischen Geld geeignete Songs schreiben lassen – das tut sie wohl schon.

Es ist schon März. Die Ergebnisse der Präsidentenwahlen von 28. November letzten Jahres werden immer noch erwartet, und Karneval hat schon begonnen. Vielleicht werden von dort korrektere Infos oder News losplatzen. Zum Glück wurde mir rechtzeitig das Handy gestohlen. Bei allem Unbill einer noch unbekannten, künftigen neuen Nummer kann ich jetzt wenigstens die vierstellige Todesgruppe vermeiden.

Oder hat sich ein Aprilscherz-Urheber im Monat verwählt?

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Die exklusive Haiti-Kolumne im latina press Nachrichtenportal von Otto ‚Swissfot‘ Hegnauer. Der ehemalige Lehrer lebt seit mehreren Jahrzehnten auf Haiti und berichtet exklusiv von seinem täglichen Leben auf der Insel Hispaniola.

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