Haiti: Zweibeinige Füchse übernehmen das Kommando

Fuchs

Datum: 07. April 2011
Uhrzeit: 16:08 Uhr
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Autor: Otto Hegnauer
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April ist jedes Jahr. Es war auch an einem Apriltag, als ich Tiere und Untiere filmte. Als Fuchsbabys noch eine Rolle spielten und mit Schuhbändeln spielen. Ich hatte noch Zeit zum stundenlang warten bis die Tiere so wollten wie ich, damals beim Tierfilmen. Man hatte noch Zeit.

Zu meiner Bündner Zeit betrieb ich ein Wohnmobil, in dem ich oft übernachtete. Wildkampieren war noch nicht verboten, nicht einmal im Vorhof des Justizministers. Ich pflegte dazu reizvolle Landschaften aufzusuchen. So landete ich eines Abends auf einem Toma (Gletscher überschliffener Bergsturzschutt) hinter den Emser Werken, einer chemischen Fabrik und Plastikschmiede. Es stank nach Kunststoff und schwerem Wasser.

Das Chemiewerk gehörte einem damaligen Schweizer Bundespräsidenten, der viele das Fürchten lehrte. Wie die Füchse hatte er den Ruf, besonders schlau zu sein. Ob er wirklich schlau oder nur bauernschlau war, wage ich nicht zu bemeckern, denn er war Jurist. Und Juristen sind gefährlich, gefährlicher als Füchse jedenfalls. Der Bundespräsident wurde übrigens alsobald abgewählt. Der war eben nicht Präsident auf Lebenszeit wie viele in Haiti, so ist eben Demokratie. Da hielt ich es eher mit den richtigen Füchsen.

Die richtigen Füchse blieben, mit Glück sogar auf Lebenszeit. Frühmorgens und gegen Abend kamen die quirligen Fuchsbabys im Rudel, tollten umher und schlugen lustige Kapriolen. Sie beachteten mich kaum, und als ich die Beine raushängen ließ, begannen sie damit zu spielen, besonders gefielen ihnen die Schuhbändel. Sie bissen neckisch in meine Schuhe und zerrten an den Bändeln, am Riemen meiner Kameratasche, die ich draußen liegen hatte und in die Schwänzchen ihrer Fuchskollegen. Das mochte so eine halbe Stunde dauern, bevor sie sich in ihre Löcher vertrollten. Und ich hatte wieder einmal ein Erlebnis „unter Dach“, ganz nach meinem Geschmack. Sogar einige Erlebnisse, denn das ging mehrere Tage so zu und her, und mich zog es keineswegs weg von hier. Ganz wie heute in Haiti.

Auch in Haiti, dem Nachbarland der Dominikanischen Republik, übernehmen nun wieder andere das Gelände, die Zeit für Schuhbändel haben und Stunden-, Tage-, Wochen- und Monatelang darüber quatschen können. Die die heiligen Hallen von Haiti – die jetzt am Wiedererstehen sind – denen überlassen, die lesen und schreiben sowie hoffentlich kreolisch und politisieren können. Über Cholera, Erdbeben, die Luftseilbahn auf die Zitadelle oder den submarinen Eisenbahntunnel nach Florida, um das gelobte Bankrottland wenigstens trockenen Fußes erreichen zu können.

Dazu gehört auch der ewige Staatspräsident mit seinen zweibeinigen Füchsen. Die mehr als nur Schuhbändel stehlen. Es gibt aber auch die Diebe, die sich mit Schuhbändeln begnügen und sich damit wenigstens auf ein vitales Problem konzentrieren. Als ich vor einem Jahr aus dem Fluchtort Schweiz wieder nach Haiti floh, hatte ich ein paar Wanderschuhe mitgenommen. Beziehungsweise aus strategischen Gründen getragen, bis ich sicher im Flugzeug saß. Damit könnte ich drüben meine üblichen Ziele besser erreichen, so träumte ich mir. Die Wanderschuhe wurden etwas auf ihren Einsatz warten und blieben ein paar Tage im Wagen. Das Versteck war für einen Dieb nicht gut genug, der neben Lebensmitteln auch die Schuhbändel als stehlenswert befand. Er nahm sich dazu die Zeit zum Ausnesteln und stellte das Schuhpaar gesittet wieder an seinen Platz unter dem Autositz zurück. Ich habe seither noch keine passenden Schuhbändel gefunden und mache es eben mit Schnüren.

Und so wie die Geschichte mit Schuhbändeln im Hinterhof der Politik begonnen hatte, so endet sie jetzt mit Schuhbändeln im Parlament, denn die Politiker haben jetzt wieder Zeit, über Problemchen zu quatschen. Aber für mich wird es Zeit, damit aufzuhören, es wird sonst zu dick (das Buch).

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Die exklusive Haiti-Kolumne im latina press Nachrichtenportal von Otto ‚Swissfot‘ Hegnauer. Der ehemalige Lehrer lebt seit mehreren Jahrzehnten auf Haiti und berichtet exklusiv von seinem täglichen Leben auf der Insel Hispaniola.

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