Zombies in Haiti

Rara-6

Datum: 03. März 2010
Uhrzeit: 10:29 Uhr
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Autor: Otto Hegnauer
Sprachkurs Spanisch (Südamerika)

Der Voodou (Houngan) ist mit seinen unheimlichen Gehilfen unterwegs, gefolgt vom Zombie-Träger. Der trägt in seinem blauen Bündel die gefangene Seele eines unbekannten Opfers, dessen Körper nach dem Scheintod posthum exhumiert, von der Seele getrennt und dann vielleicht in den Süden als Sklave, in Wirklichkeit ein Zombie, verkauft wurde. Das bringt dem Houngan ganz schön etwas ein, und offenbar weiß das Gesetz nicht recht damit umzugehen, stimmt doch da kein Wort mehr aus Sprache und „Vernunft“.

Wenn in Haiti die Toten leben, meine ich damit nicht die Seelen der einst wirklich Lebenden, wie in der Kirche, hier in Haiti, dort in Europa, und überall in den Religionen der Welt. Nein, ich meine die Körper, die Unbeseelten, die Zombies.

Zombies sind Körper ohne Seelen. Sie leben fast nur in Haiti, dem Lande der Voodoo-Priester (Houngans), Schwarzmagier (Bokors) und Priesterinnen (Mambos), die zaubern können, die – excüsi! – im Lande der Armut auch Geld machen können, die Menschen mit einem Fluch belegen können, und noch vieles mehr. Worauf diese scheinbar sterben, einen Scheintod erleiden. Tage später werden die Toten wieder zum Leben erweckt und dann als Arbeitssklaven missbraucht. „Zombie cadavres“ gelten als absolut willenlos. Pulver aus Giftpflanzen und Weiß-nicht-was spielen dabei eine wichtige Rolle. Das Opfer wird so in einen hirntodähnlichen Zustand versetzt. Das Zauberpulver wird, vermischt mit Juckpulver sodass es so recht schön beißt, auf die Haut des Opfers geblasen, die dann das Gift beim Kratzen in kleinen Wunden aufnimmt. Kaum unter der Haut, ruft dieses krankheitsähnliche Symptome hervor, an denen das Opfer den Scheintod „stirbt“.

Im Glauben, dieser Mensch sei wirklich tot, wird er begraben. Nach einer bestimmten Zeit erhält das Opfer Besuch. Der Zauberer taucht am Grab auf, gräbt seine Beute wieder aus und verabreicht ihr ein Gegenmittel. Dieses Mittel ist ein starkes Gift, so Atropin oder Hyoscyamin, das dem Betroffenen beim Aufwachen Sinne und Bewusstsein raubt. Der Unglücksvogel wird während der Verabreichung des Giftes von den Gehilfen des Zauberers gehörig verprügelt und durch Anwendung von List und Gewalt von seiner endgültigen Rolle als Zombie überzeugt.

Der Zombie ist nun seinen neuen Herren sowohl hörig als gehörig und ab sofort durch Gewalt und Einschüchterung zur Verrichtung von Schwerstarbeiten und unseriösen Diensten willig bereit. Die Zombies werden nun als Arbeitssklaven in Plantagen, in Zuckerschnaps-Brennereien, auf Grossbauplätze oder in Fabriken in weit entlegene Gebiete der Insel verkauft, wo sie unter menschenunwürdigen Bedingungen gehalten werden. Ein tatsächlicher Rückfall in die schlimmste Sklaverei, von denselben Haitianern, die sich doch in heldenhaftem Einsatz davon freigekämpft hatten. Psychiatrische Kliniken und Anstalten sind voll von solchen Wesen, und es kann ihnen kaum mehr geholfen werden. Selbst renommierte Industrien, Universitäten, Botaniker und Biochemiker forschen in Haiti nach noch unbekannten Giften und Wirkstoffen.

Es scheint, dass sich die Kräfte der Houngans, Bokors und Mambos auch an leblosen Objekten auswirken, besonders an meinem Mazda. Der beginnt zunehmend Pannen zu lieben. Ich steuere ihn aber immerhin seit 12 Jahren durch Wasser, Schlamm und über Stock und Stein, das muss ich gerechtigkeitshalber erwähnen.

Ich selber bin alles andere als ein lebloses Objekt, und meine sterbliche Hülle wurde auch nie von der Seele getrennt, und ebenfalls habe ich an ihr noch nie etwas von den Flüchen und Pflanzengift-Wirkungen gespürt, und ich bin doch stolz auf meinen extrafeinen Spürsinn. Im Gegenteil, in der Welt der Giftmischerinnen und Zauberer fühlte ich mich stets besonders wohl, geschützt und umsorgt und ich würde nie mehr tauschen.

Zum Abschluss ein makabrer Steckbrief. Fiktiv. Zeigt schwarzumrandet das Polizeiporträt einer geköpften Person, über der Gurgel Kopf wegretouchiert. „Vermisst. Wer Angaben zur Identität, zum Verbleib dieses Wesens, seines Mörders oder sonstiger Spuren die zur Aufklärung führen könnten machen kann, hat eine Belohnung von 100’000 Gourdes verdient. Meldungen an das nächste Polizeikommissariat oder an die MINUSTAH“ (100’000 Gourdes entsprechen etwa 4000 US$). Erinnern Sie sich an den Passus „Köpfe werden mit Macheten abgeschlagen und gehandelt, meist im Versteckten. Vor etwa drei Jahren machte ein Fall in der Presse Furore. Dies nur, weil es einer Haitianerin gelungen war, auf rätselhafte Weise die rigorosen Kontrollen von Polizei und American Airlines zu täuschen und mit einem Handgepäck durchzukommen, das einen abgeschlagenen Kopf enthielt. Sie reiste mit dem makabren Gepäckstück bis nach Miami, wo sie auf dem Flughafen ertappt und verhaftet wurde- ich meine dazu: besser ein Kopf als eine Bombe!). Ob in diesem Fall ein kopfloser Zombie als willfähriges Arbeitstier verkauft worden war???

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Die exklusive Haiti-Kolumne im latina press Nachrichtenportal von Otto ‚Swissfot‘ Hegnauer. Der ehemalige Lehrer lebt seit mehreren Jahrzehnten auf Haiti und berichtet exklusiv von seinem täglichen Leben auf der Insel Hispaniola.

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