Es ist Dienstag, 23. August, kurz nach 13 Uhr. Jetzt ist sie da, Irène, der Zyklon. Ich möchte fast sagen, endlich. Denn seit dem 19. gab es nichts als besorgte Warnungen, von Freunden, vom Wetterdienst, von der Regierung, Irène musste eine ganz gefährliche sein. Man sagte ihr voraus, die gefährlichste des Jahrhunderts zu werden.
Mal sehen. Jedenfalls begann es zu schütten wie aus Kübeln. Eine Wassermauer stürzte vom Himmel, wie ich sie einst nur in Kribi in Kamerun erlebt hatte. Man hatte den Eindruck, die könnte Dich totschlagen (pardon, ich falle wieder ins Du zurück- zum Zerschlagen werden braucht es doch keine Höflichkeitsform … ?). Sichtweite Null.
Aber der Kübel dauerte nur Sekunden, dann wich er einem „gewöhnlichen“ Sturzregen, und der blieb. Draussen war kein Mensch mehr zu sehen. Sichtweite 1000 (in Metern). Aber wohl immer noch genug, um Menschen, Autos, Häuser bergab zu schwemmen. Aber man hört keine Motoren mehr, auch kein Knattern von Helikoptern.
13:30 Uhr: Tatsächlich, die ersten Wege unter dem Haus existieren nicht mehr. An ihrer Stelle Sturzbäche talabwärts. Die Treppe zum Haus unseres Nachbarn besteht nicht mehr. Im Moment braucht man auch noch keine. Und die ersten Menschen: Kinder, die baden nackend in den Wasserlachen. Sie kreischen vor Freude, besonders, als sie mich sehen. Endlich einer, der sich für ihr Tun interessiert.
13:45 Uhr: Man hört das Kratzgeräusch von Plastikeimern und Metallschaufeln aus den Häusern, mit denen wohl notdürftig getrocknet und Wasser gesammelt wird. Und man sieht emsiges Treiben und hört menschliche Stimmen.
Unten im Tal von Port-au-Prince drücken die ersten Sonnenstrahlen unter einem schwarzen Deckel hervor, es regnet immer noch, aber jetzt „normal“. Ein Händler marschiert unten durch und verkauft Kellen und Schöpfwerkzeuge. Um auf sich und seine Ware aufmerksam zu machen, schlägt er die Metalldinger an, sodass es wie Xylophone klingt. Auch ich bin ja neugierig ans Fernster geeilt, um nach der Quelle der merkwürdigen Musik zu sehen.
Man sieht knapp bis ins Tal hinunter. Sie hellgrauen Flächen der Zeltlager. Wie es dort wohl aussehen mag? Eine Stunde später im Tal spielen kreischend die Kinder, durchnässte Erwachsene gehen unter den Schirmen ihrer Kopflasten vorbei, es scheint normal. Nach 2 Stunden scheint wieder die Sonne.
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