Millionen und Milliarden Jahre haben die Götter gebraucht, um die Welt so zu schaffen wie sie ist. Sekunden genügten ihnen, um die in Haiti wieder zu zerstören. Milliarden von Dollars hat die Welt dann versprochen, mehrere Millionen auch schon bezahlt. Aber die weltweiten und einheimischen Fantasten erwarten, Menschen könnten das besser als Götter. In zwei Jahren besser, als es die Götter in 2 Milliarden Jahren vermochten.
Und dabei sind es noch nicht einmal zwei Jahre her, seit Goudou-goudou die Insel in Trümmer schüttelte. Menschen sind Wesen ohne Geduld, sie müssten eher zufrieden sein mit den Fortschritten, diese überhaupt sehen und vergleichen mit dem was vor 10 und 20 Jahren war. Und auch mit dem, was die Retter leisten konnten. Selbst wenn Profiteure und Diebe darunter waren, verallgemeinern soll man nicht. Das hängt mit dem Thema „Mensch“ zusammen. Überall wo Menschen sind, gibt es auch Teufel. Die können nie zufrieden, und nie glücklich sein. Aber sie strafen sich selbst.
Ich selbst bin ja auch unter den Opfern. Ich habe am jenem 12. alles verloren, ausser meinem Leben, meinem Notebook und meinen Erinnerungen. Das erlaubt mir, mich mit den anderen Überlebenden solidarisch zu fühlen. In einer gewissen Narrenfreiheit zu schreiben, denn ich weiss, wovon ich schreibe. Vielleicht besser, als all die Journalisten, die Experten und die Militärs, deren Hintergrund nur Tage, Monate oder im besten Fall wenige Jahre umspannt, die jedoch damit stets das Bestmögliche versuchen.
Ein paar Monate hatte das gegeisselte Armenvolk etwas Ruhe und durfte das Glück auf der Strasse geniessen, frei spazieren, hüpfen und jauchzen, singen und tanzen. Dann begann die Sicherheit zu entgleisen, und jetzt rumoren wieder Demonstrationen auf den Strassen der Hauptstadt, diesmal gegen die Blauhelme. Auch schon gehabt, aber aktuell mit einem handfesten Grund: Am 15. sollen die Würfel fallen, an diesem Tag wird der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen über die Zukunft der Stabilisierungsmission und damit des Landes entscheiden.
Die meist schwarzen Soldaten und Polizisten und ihre meist weissen Offiziere arbeiten für bessere Werte hier, für mehr Gerechtigkeit und politische Stabilisierung. Das ist gut und dringend nötig, aber leider gibt es in jeder Herde auch schwarze Schafe (die können sogar weiss sein), schon wieder das gleiche Problem. Die werden von den Meckerern sogleich als Waffen eingesetzt und verallgemeinert (besonders wenn sie dunkel waren): die Nepalesen die den Choleratod eingeschleppt haben, die Nimmersatten die den Bauern Ziegen stehlen und die Vergewaltiger kleiner Mädchen und Jungen, die es angeblich nur bei den Blaumützen und anderswo nirgends gibt. Egal ob Lüge oder Wahrheit, Verallgemeinerung ist es alleweil, und die Schweille zur Weltpresse nur eine Spuckbreite weit weg. So hauen die Akteure in die Bresche, hauen bis die Mauer fällt. Die Weltmeinung ist ein leichtes Ziel, leichter als Gerechtigkeit und Stabilisierung in Haïti.
Die Schreier um die Gruppe Bri Kouri Nouvèl Gaye (Lauffeuer) skandieren „Wir sind gegen die MINUSTAH. Absolut. Wir wollen die Soldaten hier nicht. Wir wollen diese Spirale der Abhängigkeit, die bereits seit acht Jahren andauert, durchbrechen“. Die Oppositionsgruppe ist nach dem verheerenden Erdbeben im Januar vergangenen Jahres entstanden und mobilisiert Basisbewegungen wie die der Studenten und die der Landbevölkerung. Sie publiziert monatlich eine kritische Schrift an die Regierung, erstmals am 15. Oktober 2010 gegen die MINUSTAH. Seitdem hat die Opposition Gestalt angenommen und organisiert sich immer besser, denn am 15. Oktober 2011 soll der Sicherheitsrat entscheiden, was mit der Mission geschieht. Bri Kouri Nouvèl Gaye versucht den Entscheid in New York fernzusteuern.
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