Im zentralamerikanischen Land Guatemala sind während des 36-jährigen Bürgerkriegs zwischen dem Militär und linken Rebellen mehr als 200.000 Menschen getötet worden. Davon sind schätzungsweise 45.000 Personen gewaltsam verschwunden, ihre Leichen wurden in unmarkierten Gruben vergraben oder in Massengräbern verscharrt. Fast 25 Jahre nach der Unterzeichnung eines Friedensabkommens, das den blutigen bewaffneten Konflikt in Guatemala beendete, haben Tausende von Familien noch immer nicht die Überreste ihrer vermissten Angehörigen gefunden. Im Laufe der Jahre hat die Stiftung für Forensische Anthropologie in Guatemala „Fundación de Antropología Forense de Guatemala“ (FAFG) versucht, die sterblichen Überreste der Opfer des gewaltsamen Verschwindenlassens zu lokalisieren und zu identifizieren. Sie sammeln DNA-Proben von Familienmitgliedern, führen Exhumierungen durch und geben die identifizierten Überreste der Opfer an ihre Verwandten für eine würdige Bestattung zurück.
Als die Covid-19-Pandemie zuschlug war die „FAFG“ gezwungen, ihre Feldbesuche für fast ein Jahr auszusetzen. Im Februar nahm die Organisation ihre Arbeit in den Ixil-Maya-Gemeinden Nebaj, Cotzal und Chajul wieder auf. In diesem Gebiet wurden 1982 auf Befehl des damaligen Militär-Befehlshabers General Efrain Rios Montt einige der brutalsten Massaker des bewaffneten Konflikts verübt. Obwohl der Oberste Gerichtshof Guatemalas 2018 entschied, dass es sich bei den begangenen Massakern gegen das Volk der Ixil um Völkermord handelte, wurde nur eine kleine Anzahl von Soldaten niedrigen Ranges wegen Kriegsverbrechen belangt und Rios Montt wurde nicht posthum wegen Völkermordes verurteilt. Währenddessen geht für viele in den vom Konflikt verwüsteten Gemeinden die Suche nach den vor Jahrzehnten gewaltsam Verschwundenen weiter. Der Geschäftsführer und Gründer der FAFG, Fredy Peccerelli, sagt, dass der Lauf der Zeit und andere Hindernisse wie die Pandemie, seine Gruppe nicht aufhalten werden: „Die Familien haben es immer noch verdient, dass jemand ihre Suche begleitet um zu versuchen, ihre Angehörigen zu identifizieren.“ Nach seinen Worten sind die Narben, die der bewaffnete Konflikt in Gemeinden wie Chajul, Nebej und Cotzal hinterlassen hat, immer noch sehr tief und haben auch heute noch schwerwiegende Auswirkungen.
Armut, mangelnder Zugang zu Land, Korruption und eine zunehmende wirtschaftliche Polarisierung tragen dazu bei, dass die ländlichen Gemeinden verarmt bleiben. „Der Konflikt hat die Kluft beim Zugang zu Bildung und zu Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten vergrößert. Die Leute, die von dem Konflikt profitiert haben, besetzen jetzt politische Positionen“, so Peccerelli. Er glaubt, dass viele Guatemalteken weiterhin in die Vereinigten Staaten auswandern werden, bis sie sich mit ihrer Vergangenheit abgefunden haben und es für sie Möglichkeiten gibt, eine bessere Zukunft in Guatemala aufzubauen. In der Zwischenzeit setzen die forensischen Experten der FAFG ihre Arbeit fort, um Familien wieder zu vereinen und die sterblichen Überreste ihrer Angehörigen beizusetzen.
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