So hört man den Freudenlärm über das ganze Land, bis über die Steilwände der Schwarzen Berge und über die Bergkrete von Taraz, wo man sogar mit Prunkkutschen hinauffahren kann. Am Anfang, da kann es zwar mühsam werden. Genau umgekehrt wie normal, da sitzt die Mühsal tief, aber nach oben wird es nur noch besser. Wenn sich ob Pétion-Ville die gordischen und verkehrsbedingten Knoten gelöst haben, wenn die kurvige Steilstraße nach dem historischen Schloss Barbancourt und die absturzgefährdeten Riesensteinbrüche von La Boule passiert sind, beginnt die Betonstraße der Betuchten. In großzügigen Serpentinen. Vorbei an einem Checkpoint mit Personenkontrolle, Einschreiben, Passdeponieren, schwere Ketten werden gelöst und hinten wieder geschlossen, und man fährt weiter, höher und höher. Die Betonstraße wird breiter, schließlich ist man oben auf dem Grat. Es gibt hier blitzsaubere Trottoirs und beidseitige Straßenbeleuchtungen, wie in einer europäischen Großstadt. Der ganze Grat ist durch die gängige Straße erschlossen, die Aussicht fabelhaft, hinunter auf die ferne Armut, über Trümmer, Land und über Meer.
Auch die Villen neben der Straße sieht man nur von fernem und von außen, vermutlich sind auch sie im Innern ganz fabelhaft.
Hier gab es Feuerwerke gestern Sonntagabend nach 22 Uhr, sie zeigten während einer vollen Halbstunde, wie reich sie sind, wie sie ganze Millionen verpuffen können – so dass man es im ganzen Land sehen musste, in den Lagern der Obdachlosen, und über dem Meeresarm. Es hörte nicht mehr auf zu donnern und zu funkeln, zu sprühen und zu glühen. Das Zerplatzen der Reichtümer kannte keinerlei Grenzen. Haiti wollte glauben machen, dass es mehr Millionäre habe als Amerika. Mehr als die Schweiz hat es ja bereits. Sie wollen zeigen, wo der Reichtum sitzt, wo der Reichtum und das Sagen sitzen, trotz endlich einem Präsidenten. Aber sie feierten wenigstens mit, und die Schüsse in die Luft waren freundlich gemeint. Hoffen wir es, dass sie auch ehrlich gemeint waren.
Nach mehr als 200 Jahren und rund 70 Versuchen hat das Volk endlich seinen Führer, sein Sinnbild gefunden. Obschon dieser und auch das Volk sehr wohl weiß, dass auch er machtlos ist. Er zeigt sich auch ohne Haare. Und vermarktet sich gleich als „Micky der Kahlkopf“. Und zeigt sich volksoffen. Man kann mit ihm sprechen. Und über seine ubiquitäre Präsenz, du findest ihn im Internet, bei Facebook, im Handy, seine Tonbänder rufen Dich an, seine SMS kommen den ganzen Tag, in jedes Handy im Land. Du hast das Gefühl, ihn überall sprechen zu können. Seine Einsetzung ist eine freudige, eine ehrliche, keine verlogene Feier. Es ist eine Feier und ein Feuer, das von innen kommt und nach innen weiterlodert.
Die Schüsse und all die Knaller drücken überbordende Freude aus und kosten keine Leben. Selbst Kanonenböller und Maschinengewehr-Salven sind ein Ausdruck der Freude. Das Volk drückt sich aus, jetzt flutet das Blut in den Adern mit dem Adrenalin um die Wette.
Das habe ich schon vor der Wahl gedacht, das schwierigste Amt der Welt. – Wo müssen so viele elementare Probleme auf einmal gelöst werden. Und vielleicht kann er genau die Änderungen anstoßen, zu denen ein herkömmlicher haitianischer Politiker nicht im Stande wäre…
An neuen Ideen fehlt’s ihm jedenfalls nicht. Und das ist das Einzige, was in hoffnungslosen Fällen noch helfen kann.Stossen wir auf ihn an, prost!