Unmittelbar VOR dem 12. Januar 2010. Die Weihnachtspalme strahlt in ihrem Blust. Auch Zamia, mein besonderer Liebling im Tropengarten, leuchtet auf wie nie zuvor und zeigt mir, noch einmal, wer sie ist. Sie ist stammesgeschichtlich wohl hundert Millionen Jahre alt, eine der ältesten Pflanzen der Welt. Dann verlasse ich meine Blumenkinder, den Tropengarten, das Wunderhaus, bevor es zu meinem Grab würde. Zum Glück kam es nicht so weit.
Auch die Schlangen hatten alle das Gelände verlassen, wie sie das vor einem Erdbeben zu tun pflegen (sagt man). Denn am nächsten Tag, am 12. Januar 2010, da schlug es zu. Das fürchterlichste Beben seit Menschengedenken, das in 10 Sekunden 316.000 Menschen tötete, Millionen von Häuser vernichtete, die ganze Welt unglücklich machte.
Es war Monate später, als ich meine Pflanzenkinder wieder sehen durfte, meine einstigen Zimmerpflanzen von Waltenstein, sie weinten und bluteten immer noch. Selbst die höchsten Urwaldbäume bluteten, ich hatte noch nie Bäume derart blutend erlebt. Ich weinte mit. Wir weinten zusammen, die Bäume und ich. Die nicht verschwunden waren, so wie auch ich. Und ich spürte, wie weinen frißt.
Ich musste sie verjagen, die Schreckgespenster. Mein Job ist ab jetzt, Schmunzelgeschichten zu schreiben. Denn Schmunzeln kann sie verjagen, die Schreckgespenster. Und das hilft leben. Weiterleben.
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