Es müsste eine Kultur des Teilens herrschen, das ist aber nur bei den Einen der Fall. Vor allem den Einheimischen. Vielleicht ein Stück Indianertum, das in ihren Adern noch überlebt hat. Denn bei diesen war privater Besitz gleich Egoismus und verpönt. Ich erinnere mich, in der Völkerkunde von Indianerhäuptlingen gehört zu haben, die von Zeit zu Zeit nicht nur ihre „eigenen“ Hütten, sondern ganze Dörfer einäscherten, um ihrem Anspruch auf individuelle Besitzlosigkeit zu genügen. Besitz gehört der Gruppe, der Familie, dem Stamm, und niemals nur Einem.
Bei uns haben solche Systeme nie funktioniert, vor allem politisch. So bezeichnet man ja auch Angelegenheiten, die die „Steuerung von Staat und Gesellschaft im Ganzen betreffen“. Aber zum Steuern braucht es Hebel, Machthebel, und die die hebeln – bei uns meist dank Wahlen – missbrauchen ihre Privilegien für sich persönlich, oder die Familie, den Freundeskreis oder nähere Gruppen. Für Staat und Gesellschaft bleibt nichts mehr übrig, es ist der Mensch, der versagt hat.
Aristide war ursprünglich ein Pionier der befreiungstheologischen Gruppe Ti Legliz („Kleine Kirche“), deren Fans, wie auch die seiner späteren Partei „Fanmi Lavalas“ (Familie Lawine, Erdrutsch) eigentlich auch die gemeinsame Nutzung aller Güter anstrebte. Mit dieser Lüge war es natürlich leicht, die gigantische Mehrheit im damaligen Armenland zu erringen.
Bald hatte er, getreu seinen damals hochgehaltenen Prinzipien, die reichen Bürger (ich habe schon geschrieben, in Haïti gäbe es mehr Millionäre als in der Schweiz) aufgefordert, sie müssten ihre Paläste mit den Hüttenbewohnern teilen. So plump geht es natürlich nicht, und das wurde ihm zum Verhängnis. Es kam zum Militärputsch mit Totalembargo, das das Land zerschmetterte wie nichts in der Geschichte und an die Schwelle der äussersten Armut trieb.
So wurde der vermeintliche Armenpriester in der Folge mehrfach Staatspräsident. Auch er konnte der Versuchung des Machtmissbrauchs zugunsten der eigenen Taschen nicht widerstehen und wurde schliesslich, nach anderen Verfehlungen, ins südafrikanische Exil verjagt.
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