Jeanne Hersch hat dann zu den 2000 und zur Welt gesagt, für das Glück einer Kuh genüge die grüne Wiese. Ich nehme an, sie habe das nicht despektiertlich gemeint. Jedenfalls zeigt auch dieser Ausspruch, dass Glück mit Ansprüchen zusammenhängt, die wohl mit der Wiese beginnen.
Für mich ist es schon Glück, einfach ruhig im Bett zu liegen und die Geckos an der Decke zu bestaunen, die mich immer wieder mit Überraschungen verblüffen. So wenn sie mit ihren unerwartet beweglichen Schwänzchen magische Zahlen in die Luft schreiben, die ich nicht lesen und nicht verstehen kann, oder wenn sie – ja du liest recht, das gehört nicht zu meinen Märchen – ihre kaum hörbaren Lieder in die Nacht hinaus trillern.
Glück ist für viele bloss finanzieller Gewinn, das Grosse Los, ein dickes Konto, ist vieles oder nichts. Glück ist auch ein äußeres Geschehen wie das Geborenwerden in eine bestimmte Umgebung, Familie oder Kultur, ein glücklicher Zufall oder eine Schicksalswende, das Wirklichwerden einer Vorstellung. Nach dem Geheimnis ihres Erfolgs befragt, haben erfolgreiche Köpfe oft geantwortet, die eine Hälfte des Erfolgs sei Fleiss, die andere Glück, es brauche beides.
Ich aber ich fühle mich als „Otto im Glück“, der bei Grimms noch „Hans“ hiess und uns lehrt, dass das Glück des Lebens nicht von materiellen Gütern abhängt. Sie können zwar zeitweise nützlich sein, behindern aber unser eigentliches, spirituelles Weiterkommen. Bei meiner Abschiedsfeier 1994 im Geschäft hatten mir zu Ehren Kollegen „Hans im Glück“ noch auf der Bühne als Sketch vorgespielt. Wie ulkig, dass sich 18 Jahre später das Grimm-Märchen bewahrheiten sollte. Mit einem Unterschied: Bei Hans wurden die materiellen Güter zwar immer unwichtiger. Aber langsam, langsam, so lang wie seine Reise dauerte. Im Goudou-goudou kam das urplötzlich, eben „grimmig“. Es liess mir keine Zeit mehr, um die Bedürfnisse anzupassen, die materiellen Bedürfnisse wurden einfach gestrichen. In Haïti, da fragt man nicht. Bei mir dauerte es sogar 20 Jahre, bis ich das Märchen so recht verstand. Deshalb schreibe ich ja heute über Glück, über etwas, über das alle schon immer geschrieben haben. Und zwanzig ist auch eine schöne, runde Zahl. Eben Glück, nicht nur bei Buchstaben.
In dem Ausspruch „Jeder ist seines Glückes Schmied“ behauptet der Volksmund die Mitverantwortung eines jeden für die Erlangung von Glück. Die Fähigkeit zum Glücklichsein hängt danach außer von äußeren Umständen auch von Einstellungen und von der Selbstbejahung in einer gegebenen Situation ab. Ganz ähnlich, wie ich es auch von der individuellen Gesundheit behaupte, abgesehen von den wohl seltenen Erbunfällen.
Materiell war der 12. Januar ein unvorstellbares Pech, eine Katastrophe gigantischen Ausmasses. Materiell war nichts mehr da, alles nur noch Scherben, Schlamm und Schutt. Es macht keinen Sinn, mit VORHER zu vergleichen. Katastrophen lassen sich nicht messen. Und und Gefühle wie Glück schon gar nicht. Aber du musst das GLÜCK im Unglück sehen, dass ich noch lebe und schreiben kann, ungleich der 316.000, die das nicht mehr können. Und „ZUM GLÜCK“ habe ich das seelische Gleichgewicht wieder gefunden. Die Glücksgrundlage die bei vielen ausblieb. Und weiter, „ZUM GLÜCK“ hatte ich einen anderen Reichtum noch: meinen Reichtum an Erinnerungen und Erlebnissen, die mir mehr „nützen“ als alles Geld und Gut der Welt. Du musst dein Glück nur sehen, das liegt vielleicht im Hinterkopf, oder auf der Rückseite der Kugel.
Natürlich gibt es auch hier Unglückliche, aber ganz sicher weniger als bei uns. Sie zeigen und teilen ihre Gefühle, das Glück, ihre Lieder, und ihre Tänze, sie leben weiter.
„Aber unglücklich? Nein, nein. Very, very happy sei sie, selbstverständlich, sie lebe ja, und zwar in einer Familie und unter dem großen wunderbaren Himmel, so antwortete eine uralte Trümmerfrau dem Fernsehreporter nach einem Erdbeben in Asien, eine der Ärmsten in einem der ärmsten Länder der Welt. Sie war zufrieden, selbst ohne Zähne.
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