Die Seefahrer sind so alt wie das Christentum

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Datum: 06. Juni 2010
Uhrzeit: 09:35 Uhr
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Autor: Otto Hegnauer
Sprachkurs Spanisch (Südamerika)

„Wir“ hatten schon diverse östliche Hochkulturen überlebt, und zurzeit grassierte schon die römische. In Palästina war eben Christus erstanden, und zwischen den dortigen Gefilden und Haiti, das sich die Insel Hispaniola mit der Dominikanischen Republik teilt, konnten wohl nur die Wale kommunizieren, sicher schon damals. Menschliche Verkehrs- und Kommunikationsmittel zwischen so fernen Welten gab es „leider“ noch nicht.

Aber im karibischen Meer, da gab es schon „Seefahrer“, man kann ihnen bereits „Boat People“ sagen. Indianer aus Venezuela, sie hießen aber erst 1500 Jahre später so, wussten, wie man mit Feuerglut Baumstämme aushöhlt und zu „Gesellschafts-Kanus“ schnitzt, oder zu Flößen zusammenbindet. Mit Stangen und Laken zimmerten sie auch Segel. Die Mutigsten segelten so herüber, und die nicht ertrunken und von Haien gefressen waren, entdeckten die zauberhaften Inseln der Karibik, 1500 Jahre vor Kolumbus, mit ihren Pflanzen- und Bodenschätzen, und einer damals noch reichen Tierwelt. Auch Fische gab es genug zum Essen, wie man das macht, wussten sie ja schon von vorher.

Aus den zuerst Eingewanderten wurden die friedlichen Arawaks, Sarawaken oder Tainos, im Osten folgten ihnen später die kriegerischen Kariben. In Haiti, wie sie die Berginsel im Westen der Karibikinsel Hispaniola nannten, blieben die Sarawaken und wohnten in Tälern in Pfahlbauten, auf Hügeln in Hütten, in Wäldern und Höhlen in Hängematten. Die Insel war bergig und voll tiefeingeschnittener Flusstäler. Die Sarawaken drangen auf ihren Einbäumen den Flüssen nach in die Insel ein und „eroberten“ sie friedlich, es war ja noch Niemandsland. So tief, bis hohe Wasserfälle Halt geboten. Da die Wasserführung unberechenbar schwankend war, standen die Niederungen fast stets unter Wasser. Deshalb bauten die Indianer ihre Siedlungen häufig auf Pfählen.

Sie lebten von Fischen und zahlreichen Wassertieren. Sie kannten die Salzgewinnung aus Meerwasser wie auch das Feuerdrehen mit einem Holzstab bestens; auch die Gefahren des Verderbs und ihre Vermeidung durch Salzung, Lufttrocknung und Rösten waren altbekannt. Sie brauchten weder Kühlschränke noch Strom, das kam erst Jahrtausende später, wenn überhaupt.

Von den Flussniederungen aus stießen sie allmählich in die Urwälder vor, schlugen erste Rodungsinseln, lernten köhlern und Gemüse anbauen, der Ackerbau war geboren. Er blieb bis heute die Haupteinnahmequelle des Landes. Um die Äcker wuchsen Dörfer mit Flechthütten, die schließlich das ganze Land überzogen. Sie lernten Maniok anbauen und zubereiten, raffelten und pressten ihn und bewirkten daraus den nahrhaften Kassave. Zum Trinken gewannen sie herrliche Frucht- und Baumsäfte, zum Beispiel den Mabi, die ebenfalls keiner Kühlung bedurften.

Sie kannten und sammelten auch Nüsse, Früchte und köstliche Kräuter und Wurzeln, und die Männer stiegen bis hoch in die Berge und pflegten die Jagd, es gab dort noch einiges Großwild. Eine luftgetrocknete, geröstete oder geräucherte Speckschwarte war doch ein Leckerbissen.

Und was waren denn ihre Leckereien? Wenn Sie jetzt ein indianisches Kochbuch erwarten, muss ich Sie enttäuschen. Ich wäre schlechthin überfordert. Aber dass die Sarawaken keine komplizierten und vor allem überzahlten karibischen Cocktails kannten, muss ich kaum begründen. Herrliche und naturgesunde Getränke ohne Alkohol und Eiskühlung, naturkonservierte Fisch- und Fleischspeisen, Gemüse, Früchte und alle bekannten Vitaminbomben, und selbst der Dessert mit einer Mango oder Kokosnuss fehlt nicht.

Zum Beten, Opfern und Verstecken zogen sie sich in Höhlen zurück. Hier sangen sie unheimliche Zaubergesänge, artikulierten ihre Zauberformeln zur Sonne, Mond und anderen Naturgewalten und hielten Rat. Häuptlinge waren die Stammesältesten, mitunter auch Frauen. Das Gesellschaftssystem ist matriarchalisch aufgebaut, mindestens in der Familie. Bis heute.

Auch wir kommen zum Dessert. Medien gab es noch nicht, das war die Gesellschaft, das Volk. Und das freute sich natürlich, genoss das Leben, und spielte. Man rannte, man ruderte um die Wette, man hiet sich einen Hund oder ein Büsi, man spielte in Gruppen. Bei den Tainos war das Batos-Spiel beliebt, eine Art Tennisturnier, in Gruppen. Ein Tennisschläger hieß „Batos“. Aber nichts war Geschäft, Tennis nicht wie heute für Geld. Geld und Eigentum waren noch unbekannt, alles gehörte allen. Man teilte, ohne zu rechnen.

Die Indianer haben das Leben eigentlich erfunden. Aber das schert die Westmenschen nicht. Die wissen es besser.

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Die exklusive Haiti-Kolumne im latina press Nachrichtenportal von Otto ‚Swissfot‘ Hegnauer. Der ehemalige Lehrer lebt seit mehreren Jahrzehnten auf Haiti und berichtet exklusiv von seinem täglichen Leben auf der Insel Hispaniola.

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