Nach der fürchterlichen Katastrophe vom 12. Januar 2010, dem Erdbeben, das 316’000 Menschen tötete – die bis heute unter den Trümmern blieben sind nicht dabei, wohl noch mehr Geschöpfe verstümmelte (Sogar Bäume weinten und bluteten) und Millionen von Wohnhäusern wegrasierte, darunter auch meines, hatte ich nichts mehr als mein Notebook und einen Kopf voller Erinnerungen, auch sensationelle, von Höhleneinschlüssen und Flugzeugabstürzen und alltägliche von lieben Menschen, meinen Schleiereulen, Kolibris, Ata und Kätzchen. Mehr geht wohl nicht mehr, und dieser Reichtum kann einem mehrfachen Überlebenskünstler nicht mehr abhandenkommen.
Ihr wisst, dass ich ihn aufschrieb, den Erinnerungs-Reichtum, denn mir blieb jetzt nichts mehr anderes übrig. Mein Erstling heißt „Alma Zombie – der Weltuntergang wird in Haiti geprobt“ – denn für mich war es nur eine Probe. Und für Millionen anderer Überlebender auch. Ganze Ketten von Katastrophen, weitere Erd- und Seebeben, Überschwemmungen, Wirbelstürme, Seuchen, Bergstürze, steigender Meeresspiegel, ja selbst explodierende Preise und Geldmengen schaffen für viele ihre individuellen Weltuntergänge, aber auch globale (Hilfeschrei des Planeten), und über all diese handelt dieses Buch.
Ich habe seit dem unsäglichen Beben, das die Einheimischen „Goudou-goudou“ nennen und damit ihren einmaligen, lebenswilligen Charakter beweisen, ihre Stärke und Begabung, Weinen in Schmunzeln zu verwandeln, gelernt und ein neues Motto gestaltet: Schmunzeln bringt Leben, Weinen den Tod. Unter diesem Motto schreibe ich meine Bücher, es werden noch mehr folgen. Gerade bei diesem Erstling war das nicht leicht, denn aus Weltuntergängen und Katastrophen Schmunzeln hervorzuzaubern, erscheint auf den ersten Blick unmöglich. Aber du wirst sehen, das Buch hilft über das Weinen hinweg, auch du wirst schmunzeln. Du wirst nicht darum herumkommen.
Heute wurde das Buchcover fertig. Schon sie macht doch schmunzeln. Ich habe das Graffiti von einer Mauer in der Prinzenstadt aufgenommen, die Stadt ist voll solcher Wandzeitungen. Sie drücken die Gefühle der Menschen aus, die bis vor kurzem noch über keine modernen Medien verfügten, über kein Papier und nicht lesen konnten; sie malten ihre Gefühle auf Mauern. Hier ist es der Altar von Baron Samedi, im Vaudou-Glauben dem Herrscher der Friedhöfe. Links ist der Rückdeckel, in der Mitte der Buchrücken, rechts der Frontdeckel. Auch meine späteren Bücher werde ich mittels Mauermalereien gestalten, die zum Schmunzeln verleiten. Mehr will ich noch nicht verraten.
Alma Zombie geht jetzt in Druck, und in einigen Wochen wird es im Handel erhältlich sein. Die Einnahmen aus diesem ersten Buch gehen an meine Frau und Familie, die wieder nach Haïti zurückreisen und ein neues Haus aufbauen wollen. Die Einnahmen aus jedem Buch sind jeweils für eine geschädigte Person oder Familie bestimmt. Ich selber brauche keine mehr. Ich bin ja bei den lieben Einheimischen bestens aufgehoben und gedenke nie mehr zu tauschen.
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