Eine geheimnisvolle Epidemie fegt über Mittelamerika und ist die zweithäufigste Todesursache bei Männern in El Salvador und in Nicaragua. Nierenversagen tötet in der Region mehr Personen als HIV und Diabetes zusammen. Die Epidemie erstreckt sich über Nicaragua hinaus und ist weit verbreitet in Guatemala und Costa Rica. Die Ursachen sind nicht restlos geklärt und die neueste Theorie besagt, dass sich die Opfer buchstäblich zu Tode arbeiten.
„Tausende von Landarbeitern in Mittelamerika leiden unter chronischen Nierenerkrankungen (CKD)“, teilt Victor Penchaszadeh, Epidemiologe an der Columbia University in den USA und Beraterin für die Pan-Amerikanische-Gesundheitsorganisation (PAHO) für chronische Erkrankungen in Lateinamerika mit. El Salvadors Gesundheitsministerin María Isabel Rodríguez rief vor kurzem die internationale Gemeinschaft um Hilfe und sprach von einem „Dahinsiechen unserer Bevölkerung“. Die meisten der erkrankten Männer weisen keine Anzeichen von Bluthochdruck oder Diabetes auf – die häufigsten Ursachen für CKD anderswo in der Welt.
Eines haben die Leidenden allerdings gemeinsam: Sie arbeiten alle in der Landwirtschaft. Gesundheitsexperten gehen davon aus, dass eine der Hauptursachen für die Nierenschäden giftige Chemikalien, Pestizide und Herbizide sind. Diese werden in der Landwirtschaft routinemäßig verwendet. „Diese Chemikalien sind in den Vereinigten Staaten, Europa und Kanada verboten, hier werden sie ohne Schutz und in großen Mengen verwendet“, erklärt ein Arzt an einer Klinik in El Salvador. „Schmerzmittel und viel Alkohol können ebenfalls die Nieren dauerhaft schädigen“, fügt er hinzu.
In Nicaragua hat sich die Krankheit zu einem politischen Problem entwickelt. Im Jahr 2006 gab die Weltbank einen Kredit zum Bau der größten Ethanol-Anlage im Land. Plantagenarbeiter beschwerten sich in der Vergangenheit über die Arbeitsbedingungen und die Verwendung von Chemikalien.
Im Gegenzug stimmte die Bank der Finanzierung einer Studie zu, um die Ursache der Epidemie zu erkennen. „Wir neigen am stärksten zu der Hypothese, dass Hitzestress eine der Ursachen für diese Erkrankung sein kann“, erklärt Daniel Brooks von der Boston University.
Sein Team hat herausgefunden, dass nicht nur Zuckerrohr-Arbeiter an der Krankheit leiden. Bergleute und Hafenarbeiter weisen eine hohe Rate von Nierenerkrankungen auf, obwohl sie keinen landwirtschaftlichen Chemikalien ausgesetzt sind. „Diese Männer haben eines gemeinsam: Sie haben lange Arbeitszeiten bei extremer Hitze“. Eine neue Vorstudie stärkt diese Hypothese. Das Team von Brooks untersuchte Blut und Urin von Zuckerrohr-Arbeitern, die verschiedene anstrengende Jobs außerhalb der Plantagen ausüben. Dabei fanden die Wissenschaftler weitere Beweise für die mögliche Ursache von Nierenschäden. „Die Menschen sind durch ihre wirtschaftliche Situation dazu gezwungen, mehr zu arbeiten als sie in der Lage sind. Dies ist nicht gut für ihre Gesundheit und könnte dafür verantwortlich sein, dass sie unter Schädigung ihrer Nieren leiden“, so Brooks.
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