Eine neue Aufnahme von ALMA, dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array min Chile, zeigt außerordentlich feine Details, die nie zuvor in der protoplanetare Scheibe um einen jungen Stern beobachtet wurden. Dies sind die ersten Beobachtungen, bei denen die beinahe-Endkonfiguration von ALMA zum Einsatz kam; es sind die schärfsten Aufnahmen, die jemals im Submillimeterbereich gemacht wurden. Die neuen Ergebnisse sind ein großer Schritt nach vorne in der Beobachtung der Entwicklung protoplanetarer Scheiben und der Entstehung von Planeten. Für die ersten Beobachtungen im neuen und gleichzeitig leistungsstärksten Betriebsmodus von ALMA richteten Forscher die Antennenschüsseln auf HL Tauri – einen jungen Stern, ungefähr 450 Lichtjahre von der Erde entfernt, der von einer Staubscheibe umgeben ist. Das resultierende Bild übertrifft alle Erwartungen und zeigt unerwartet feine Details in der Materiescheibe, die von der Geburt des Sterns zurückgelassen wurde. Sichtbar sind eine Reihe konzentrischer heller Ringe, die von dunklen Lücken getrennt werden.
„Diese Merkmale sind höchstwahrscheinlich das Ergebnis junger planetenartiger Körper, die in der Scheibe gebildet werden. Das ist überraschend, da so junge Sterne eigentlich keine große planetaren Begleiter haben sollten, die in der Lage sind die Strukturen zu verursachen, die wir beobachten“, erläutert Stuartt Corder, stellvertretender Direktor von ALMA.
„Als wir die Aufnahme zum ersten Mal sahen, waren wir richtiggehend Sprachlos angesichts dieser unglaublichen Menge an Details. HL Tauri ist nicht mehr als eine Million Jahre alt, und trotzdem scheint seine Scheibe voll von entstehenden Planeten zu sein. Diese eine Aufnahme allein wird die Theorien zur Planetenentstehung revolutionieren“, ergänzt Cathrine Vlahakis, stellvertretende ALMA-Programm-Wissenschaftlerin und leitende Programm-Wissenschaftlerin der ALMA Long Baseline-Kampagne.
Die Scheibe von HL Tauri scheint sehr viel weiter entwickelt zu sein als man anhand des Alters des Systems erwarten würde. Daher deutet die Aufnahme von ALMA auch darauf hin, dass der Prozess der Planetenentstehung schneller abläuft als bisher angenommen.
So eine hohe Auflösung bietet nur der ALMA-Betriebsmodus mit langen Basislinien. Astronomen können so neue Informationen gewinnen, die unmöglich mit anderen Einrichtungen erreicht werden können – nicht einmal mit dem Hubble-Weltraumteleskop. „Logistik und Infrastruktur um die Antennenschüsseln in so großem Abstand präzise zu positionieren erfordern den Schulterschluss eines internationalen Expertenteams aus Ingenieuren und Wissenschaftlern“, erklärt ALMA-Direktor Pierre Cox. „Die langen Basislinien erfüllen eines von ALMAs Primärzielen und stellen damit einen eindrucksvollen technologischen, wissenschaftlichen und ingenieurtechnischen Meilenstein dar.“
Junge Sterne wie HL Tauri werden in Wolken aus Gas und feinem Staub geboren, in Gebieten, die unter dem Einfluss der Gravitation kollabiert sind, wodurch dichte, heiße Kerne entstehen, die sich letztendlich entzünden und zu jungen Sternen werden. Diese jungen Sterne sind anfänglich vom restlichen Gas und Staub umhüllt, der sich schließlich in einer Scheibe absetzt, die als protoplanetare Scheibe bezeichnet wird.
Durch viele Kollisionen bleiben die Staubteilchen aneinander haften und wachsen zu Klumpen von der Größe von Sandkörnern oder Kieselsteinen heran. Schlussendlich können sich Asteroiden, Kometen und sogar Planeten in der Scheibe bilden. Junge Planeten reißen die Scheibe auf und erzeugen Ringe, Spalten und Löcher wie die, die nun von ALMA beobachtet wurden .
Die Untersuchung dieser protoplanetaren Scheiben ist entscheidend für unser Verständnis von der Entstehung der Erde im Sonnensystem. Die Beobachtung der ersten Abschnitte der Planetenbildung um HL Tauri könnte uns zeigen, wie unser eigenes Planetensystem ausgesehen haben könnte, als es vor vier Milliarden Jahren entstanden ist.
„Das meiste, das wir heute über Planetenentstehung wissen, basiert auf Theorien. Für Bilder mit diesem Detailgrad wurde bis jetzt auf Computersimulationen oder künstlerische Darstellungen verwiesen. Dieses hochaufgelöste Bild von HL Tauri demonstriert, wozu ALMA in der Lage ist, wenn es in seiner größtmöglichen Konfiguration betrieben wird und läutet eine neue Ära in der Untersuchung der Stern- und Planetenentstehung ein“, schließt ESO-Generaldirektor Tim de Zeeuw.
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