Hochbegabte Schüler sind solche, die in Bereichen wie Kreativität, originelles Denken und schnelle Auffassungsgabe herausragende Leistungen zeigen. Schätzungen zufolge weisen zwischen 3 % und 5 % der Bevölkerung unabhängig von Geschlecht, sozialer Schicht oder ethnischer Zugehörigkeit hohe Begabungen/Hochbegabung (AH/SD, Abkürzung im Portugiesischen) auf. In Brasilien werden nur 0,5 % bis 2 % der Schüler offiziell als hochbegabt eingestuft, was weit unter dem weltweiten Durchschnitt liegt. Dies ist zum großen Teil auf mangelnde Ressourcen, unzureichende Lehrerausbildung und Lücken in den Programmen zur Bereicherung des Lehrplans zurückzuführen. Hinzu kommen geschlechts- und rassenspezifische Vorurteile. Die mangelnde Identifizierung und angemessene Betreuungdieser Personen stellt eine ernsthafte Herausforderung im brasilianischen Bildungssystem dar, wie Daten aus der letzten Schulerhebung belegen. Untersuchungen zeigen, dass junge Menschen mit AH/SD sozialen Herausforderungen wie Isolation und Diskriminierung ausgesetzt sein können, gleichzeitig aber auch positive Führungsqualitäten und Kooperationsbereitschaft zeigen.
Viele Mythen über Selbstständigkeit erschweren ebenfalls ihre Identifizierung. Einer davon ist die Annahme, dass diese Schüler in allen Fächern überdurchschnittliche Leistungen erbringen oder keine emotionalen Schwierigkeiten haben. Dies entspricht nicht der Realität. In der Praxis stößt die Anerkennung dieser Jugendlichen auf zahlreiche Hindernisse, obwohl ihre Merkmale in Brasilien bereits umfassend untersucht wurden. So sind beispielsweise Bewertungsinstrumente rar und schwer zugänglich. Lehrkräfte und Schulleiter verfügen oft nicht über Fachwissen, und es gibt keine einheitlichen Standards, die diesen Prozess konsistent steuern. Um diese Hindernisse zu überwinden, wurde vor mehr als einem Jahrzehnt eine multimodale Bewertung auf dem Campus Bauru der Universidade Estadual Paulista im Landesinneren von São Paulo eingeführt. Es werden die bekannten IQ-Tests (Intelligenzquotient verwendet, ein von Alfred Binet zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelter Indikator) in Verbindung mit anderen Instrumenten für eine umfassendere Bewertung, die die Anwendung des Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ) einbezieht. Dabei handelt es sich um ein Screening-Instrument zur Bewertung emotionaler Symptome, Verhaltensauffälligkeiten, Hyperaktivität, Schwierigkeiten mit Gleichaltrigen und prosozialem Verhalten – sowie um direkte Beobachtungen von Eltern und Lehrern.
Initiativen zur Stärkung der Sozialkompetenz
Eine der Folgen der mangelnden Identifizierung von Jugendlichen mit AH/SD ist, dass ihnen der Zugang zu Möglichkeiten der Bereicherung ihres Lehrplans durch eine spezielle pädagogische Betreuung verwehrt bleibt. Wenn diese Jugendlichen Zugang zu ergänzenden Aktivitäten erhalten, spiegelt der Prozess oft die mangelnde Gleichstellung der Geschlechter und Rassen wider und verstärkt den Machismo und den strukturellen Rassismus in unserer Gesellschaft. Diese Kombination aus institutionellen Barrieren und Auswahlvorurteilen führt dazu, dass Mädchen und Schüler aus unterrepräsentierten ethnischen und rassischen Gruppen weniger ausgewählt und unterstützt werden, wodurch weiße Jungen gegenüber schwarzen und braunen Jungen und Mädchen bevorzugt werden und historische Ungleichheiten fortbestehen, die das Potenzial vielfältiger Talente untergraben. Ein weiterer wichtiger Aspekt in Bezug auf junge Menschen mit AH/SD ist, dass emotionale Probleme (Angst, Traurigkeit, geringes Selbstwertgefühl und Reizbarkeit) und Interaktionsschwierigkeiten (Ablehnung, Konflikte und Isolation) nicht immer durch Selbstbewertung erkannt werden. Auch die Berichte von Eltern und Lehrern sind in dieser Hinsicht nicht immer vollständig zuverlässig und können daher nicht als einzige Referenz dienen.
In einer aktuellen Studie, die im Laufe des Jahres 2024 durchgeführt und im Januar 2025 in der internationalen Fachzeitschrift „Social Skills in Gifted Students“ veröffentlicht wurde, wurden 17 Schüler im Alter von 7 bis 15 Jahren in bereichernde Aktivitäten einbezogen. Dazu gehörten Musiktheorie, Robotik, Englischunterricht, Sport, Theater-, Zoo- und Observatoriumsbesuche. Das Ergebnis war laut Selbsteinschätzung der Schüler eine Verringerung der emotionalen Symptome (von 2 auf 0) und der Probleme mit Gleichaltrigen (von 3 auf 1). Um die Sozialkompetenz zu fördern und eine übermäßige Konzentration auf private Interessen zu vermeiden, wurden die Eltern außerdem dazu angehalten, die Zeit, die ihre Kinder alleine mit technischen Geräten (wie Smartphones, Tablets, Computern und Videospielen) verbringen, zu begrenzen und sie zur Teilnahme an Sport- und Sprachkursen zu ermutigen, um die Interaktion mit Gleichaltrigen zu fördern. Weitere Maßnahmen wurden ins Leben gerufen. Im Jahr 2019 wurde das Programm „Escola de Talentos“ (Talentschule) in Zusammenarbeit mit dem Instituto Principia in São Paulo gestartet. Es richtet sich an Schüler der Sekundarstufe II mit herausragenden Leistungen bei Schulwettbewerben, wobei 70 % der Teilnehmer dem Profil von AH/SD entsprechen. Das Programm bietet hybride Aktivitäten, Online-Meetings und Präsenzveranstaltungen mit Schwerpunkt auf Zusammenarbeit und der Entwicklung von Forschungsprojekten unter Anleitung von Universitätsdozenten.
Mangelnde Ausbildung, viel Ungleichheit
Leider sind viele Lehrer im Land noch immer nicht mit der multimodalen Bewertung vertraut und wissen auch nicht, dass es Gesetze gibt, die gewährleisten, dass Schüler mit AH/SD durch Sonderpädagogikprogramme gefördert werden. Die Nationale Politik für Sonderpädagogik im Hinblick auf inklusive Bildung (PNEEPI, 2011) erkennt AH/SD als Priorität an, ebenso wie das Gesetz über Bildungsrichtlinien und -grundlagen (LDB) von 1996. Allerdings wird sie in den Bundesstaaten und Gemeinden noch immer uneinheitlich umgesetzt, was Ungleichgewichte in der Aus- und Weiterbildung von Lehrern und im Angebot an sonderpädagogischer Förderung (AEE) widerspiegelt. Die wichtigste Empfehlung lautet, sowohl in die Aus- als auch in die Fortbildung von Lehrkräften zu investieren, um die Lebensrealität von Menschen mit AH/SD zu verändern. Die internationale Literatur betont die Notwendigkeit einer kontinuierlichen und in den Schulalltag integrierten Fortbildung anstelle von punktuellen Kursen, um sicherzustellen, dass Pädagoginnen und Pädagogen in der Lage sind, diese Kinder zu erkennen und zu fördern. Es ist auch notwendig, Ungleichheiten zu überwachen und zu korrigieren. Selbst wenn Fördermaßnahmen angeboten werden, bestehen weiterhin geschlechts- und rassenspezifische Vorurteile: Schwarze und braune Mädchen und Frauen sind beispielsweise bei der Auswahl für ergänzende Aktivitäten benachteiligt, was den strukturellen Rassismus und Machismo in unserer Gesellschaft verstärkt.
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