Nicaragua: „Der Park ist mein Leben“► Seite 3

NIC

Datum: 11. Oktober 2011
Uhrzeit: 14:18 Uhr
Ressorts: Leserberichte
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Sprachkurs Spanisch (Südamerika)

Ehrfürchtig hält Carmen-Coneja die Zügel ihrer Pferde; sie zweifelt nicht daran, dass da drinnen unruhige Seelen umgehen, die um Erlösung betteln. Ehrfurcht flösst ihr auch der riesige, uralte Friedhof ein, auf dessen Gelände sie ein Stück mit ihrer Pferdekutsche hinein fahren kann.

Einige der Präsidenten Nicaraguas sind hier begraben, bekannte Schriftsteller und Intellektuelle des Landes, die bedeutenden Familien der Stadt haben prächtige Mausoleen für ihre Verstorbenen errichten lassen.

Vor der Kapelle zieht Carmen die Zügel an, von hier geht es nur noch zu Fuß weiter, aber ein Spaziergang auf dem Friedhof ist nicht im Preis inbegriffen. „Hier sind alle wieder vereint, Arme und Reiche, hier gibt es keine Unterschiede, nur einen prächtigen Stein kann sich eben nicht jeder leisten“, resümiert Carmen und lenkt die Pferde zum Parque Xalteva, der heute ‚Parque del amor‘ genannt wird.

Die großen Steine, hinter denen sich die Pärchen zum Kuscheln verstecken, ist ein Zeugnis aus der Zeit, als dieser Teil der Stadt noch von den Xaltevas, einer der drei indianischen Volksgruppen, bewohnt wurde. Auch die Mauern entlang der Straße  stammen aus jener Zeit. Sie waren Teil eines ausgeklügelten hydraulischen Systems, mit dessen Hilfe das Hochwasser abgeleitet und die Stadt vor Überschwemmungen geschützt wurde.

Die Spanier errichteten dem Park gegenüber schnell eine Kirche, um ihre Macht zu demonstrieren und sich von den Einheimischen abzugrenzen.

Die tatsächliche Grenze, so die Historiker, bildet eines der vermutlich ältesten Häuser Granadas, von dem viele glauben, hier habe der amerikanische Eroberer William Walker gewohnt, der ein Jahr lang (1856-57) selbst ernannter Präsident von Nicaragua war.

Die Fachleute haben das längst widerlegt, aber die Legenden halten sich hartnäckig. Auch La Coneja erzählt es immer wieder ihren Gästen. Wie die meisten der anderen Kutscher hat sie sich die wichtigsten Kenntnisse selbst angeeignet, genau wie die englische Sprache. Sie würde sie gern besser beherrschen, aber zum Lernen bleibt der allein erziehenden Mutter keine Zeit. Sie ist geschieden, wie viele Frauen in dieser Stadt.

Die Kutsche holpert zurück zum Parque Central.

„Brrrrrrrr“ – Betube und Burromina bleiben brav stehen, die Tour ist zu Ende. Coneja Carmen reiht sich wieder in die Schlange vor dem ‚Plaza Colón‘ ein und hofft auf weitere Gäste.

Gabriele Wojtiniak
freie Journalistin

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