Facebook, Twitter, Google Plus – in Lateinamerika nutzen immer mehr Menschen soziale Medien. Die Nutzerzahlen wachsen seit Jahren zweitstellig und rangen weltweit inzwischen auf Platz 2 hinter den USA. Von diesem Trend profitieren nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Staatsoberhäupter. Im Ranking der größten sozialen Netzwerke und Messenger nach der Anzahl der Nutzer belegte Facebook im Januar 2023 mit rund 2,96 Milliarden monatlich aktiven Nutzern den ersten Platz. Auf Platz zwei folgte mit etwa 2,51 Milliarden das zu Google gehörende Videoportal YouTube. Rang drei ging mit zwei Milliarden Nutzern weltweit an den Messaging-Dienst WhatsApp.
Wer sich überarbeitet und gestresst fühlt, engagiert sich weniger im Job und bringt auch weniger Leistung. Viele Unternehmen wissen das und geben daher Geld für Profis aus, die sich um die psychische Gesundheit ihrer Angestellten kümmern sollen. Dabei könnte es viel einfacher und kostengünstiger sein, Zufriedenheit und Effizienz zu steigern: Schon 30 Minuten weniger Social-Media-Nutzung am Tag verbesserte in einer einwöchigen Studie die psychische Gesundheit, die Arbeitszufriedenheit und das Engagement der Teilnehmenden. Privatdozentin Dr. Julia Brailovskaia und ihr Team vom Forschungs- und Behandlungszentrum für psychische Gesundheit der Ruhr-Universität Bochum und dem Deutschen Zentrum für Psychische Gesundheit berichten darüber in der Zeitschrift Behaviour & Information Technology vom 8. Dezember 2023.
Positive Emotionen, die offline fehlen
Social-Media-Kanäle haben ihren festen Platz im Leben vieler Menschen, nicht nur der jüngeren. Wie sich die intensive Nutzung auswirkt, wurde in verschiedenen Studien untersucht: Einige belegten, dass die Nutzung der Kanäle die Stimmung hebt, andere, dass sie die psychische Gesundheit verschlechtert und dazu führt, dass die Nutzenden in Zeiten, in denen sie nicht online sind, befürchten, etwas Wichtiges zu verpassen, das in ihrem Netzwerk stattfindet – ein Phänomen, das Fear of missing out, kurz FoMO genannt wird. „Wir vermuten, dass Menschen dazu neigen, sich in Sozialen Netzwerken positive Emotionen zu holen, die sie in ihrem Arbeitsalltag vermissen, insbesondere dann, wenn sie sich überarbeitet fühlen“, erklärt Julia Brailovskaia. „Darüber hinaus bieten manche Plattformen wie LinkedIn auch die Möglichkeit, nach anderen Jobs zu suchen, wenn man mit seiner derzeitigen Tätigkeit unzufrieden ist.“ Kurzfristig mag die Flucht vor der Realität in die Welt der Sozialen Netzwerke die Stimmung tatsächlich heben – langfristig kann sich aber auch ein Abhängigkeitsverhalten einstellen, das gegenteilige Effekte hat.
Eine Woche zeigt deutliche Wirkung
Um diesen Zusammenhängen auf den Grund zu gehen, startete das Team ein Experiment. Insgesamt 166 Personen, die einer Teil- oder Vollzeitbeschäftigung in verschiedenen Sektoren nachgingen und mindestens 35 Minuten täglich nicht arbeitsbezogen Social-Media-Kanäle nutzten, nahmen daran teil. Die Teilnehmenden wurden zufällig einer von zwei Gruppen zugeteilt. Die eine Gruppe änderte an ihrer Social-Media-Nutzung nichts. Die andere Gruppe reduzierte die täglich in Sozialen Kanälen verbrachte Zeit für sieben Tage um 30 Minuten täglich. Vor Beginn des Experiments, am Tag danach und eine Woche später füllten die Teilnehmenden verschiedene Fragebögen online aus, die Aufschluss über ihre Arbeitsbelastung, ihre Arbeitszufriedenheit, ihr Engagement, ihre psychische Gesundheit, ihr Stressempfinden, das Gefühl von FoMO und ihr Social-Media-Suchtverhalten gaben.
„Wir konnten schon nach dieser kurzen Zeit belegen, dass sich bei der Gruppe, die 30 Minuten weniger täglich in Sozialen Kanälen verbrachte, die Arbeitszufriedenheit und die psychische Gesundheit deutlich verbessert haben“, berichtet Julia Brailovskaia. „Die Versuchspersonen in dieser Gruppe fühlten sich weniger überarbeitet und waren engagierter bei der Arbeit als die Kontrollgruppe.“ Auch das Gefühl von FoMO sank. Die Effekte hielten nach dem Ende des Experiments mindestens eine Woche an und steigerten sich in dieser Zeit teils sogar noch. Die Proband*innen, die ihre tägliche Social-Media-Nutzung verringert hatten, blieben auch nach einer Woche freiwillig dabei.
Mehr Zeit für gute Arbeit und für die Kollegen
Die Forschenden vermuten, dass eine verringerte Nutzung Sozialer Medien den Proband*innen einerseits mehr Zeit für Arbeitsaufgaben verschaffte, sodass das Gefühl der Überarbeitung sank, und andererseits eine geteilte Aufmerksamkeit verringerte. „Mit ständiger Ablenkung von einer Aufgabe kann unser Gehirn nicht gut umgehen“, erklärt Julia Brailovskaia. „Wer sich häufig unterbricht, um in Social Media auf dem neusten Stand zu bleiben, erschwert sich das konzentrierte Arbeiten und erreicht schlechtere Resultate.“ Zudem hält die in Social Media verbrachte Zeit Menschen möglicherweise davon ab, in Kontakt mit ihren Kolleg*innen im echten Leben zu treten, was zur Entfremdung führen kann. Verringert sich die Zeit in Sozialen Medien, könnte sich dieser Effekt verringern.
Die Ergebnisse der Studie stehen in Einklang mit vorangegangenen Arbeiten der Gruppe, die zeigten, dass schon die Reduktion von 20 bis 30 Minuten täglicher Nutzung depressive Symptome verringerte und die psychische Gesundheit verbesserte. „Eine Reduktion der täglichen Social-Media-Zeit könnte Trainings von Coaches, psychologische Gesundheitsprogramme und psychotherapeutische Interventionen sinnvoll ergänzen“, schließt Julia Brailovskaia.
Leider kein Kommentar vorhanden!