Provenienzforschung: Mumien unter der Lupe

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Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts herrschte eine regelrechte Mumienmanie und der Handel florierte (Foto: Universidad de Tarapacá)
Datum: 03. Januar 2024
Uhrzeit: 11:53 Uhr
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Autor: Redaktion
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In den Archiven der Friedrich-Schiller-Universität Jena lagern umfangreiche Sammlungsbestände – darunter auch rund 20 Mumienfragmente. Forschende aus der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie, der Biologie und der Medizin haben diese Stücke erstmals umfassend untersucht und nun ihre Ergebnisse in den „Annals of the History and Philosophy of Biology“ vorgelegt. Es handelt sich dabei um vier Schädel, ein Rumpffragment, ein Becken, zwei Unterkiefer, zwei Wirbelgruppen, drei linke Füße und einige Gewebereste von ägyptischen Mumien sowie um zwei nahezu vollständig erhaltene Kindermumien aus Südamerika. „Woher sie genau stammen, unter welchen Umständen sie gefunden wurden und auf welchem Weg sie nach Jena gelangt sind, lässt sich nicht abschließend klären, da uns dazu keine Unterlagen vorliegen“, sagt Dr. Enrico Paust, der Kustos der Sammlung für Ur- und Frühgeschichte, zu der die Mumien nun gehören. Beschriftungen beschränkten sich lediglich auf einige wenige Nummern.

„Mumienmanie“ um 1900

Die meisten Stücke waren Teil der Medizinhistorischen Sammlung von Prof. Dr. Theodor Meyer-Steineg. Der Augenarzt habilitierte sich 1907 an der Universität Jena für die Geschichte der Medizin, lehrte anschließend als Professor bis 1933 und veröffentlichte 1921 gemeinsam mit einem Kollegen eine Geschichte der Medizin, die noch heute zu den wichtigsten deutschsprachigen Übersichtswerken in diesem Bereich zählt. Während seiner Zeit in Jena trug er eine aus etwa 700 Objekten bestehende medizinhistorische Sammlung zusammen, darunter antike ärztliche Instrumente, Lehrmodelle und eben auch Mumien. „Woher Meyer-Steineg diese bezogen hat, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen“, erklärt Paust.

Einige wenige Stücke stammten zudem aus der Sammlung des Insektenforschers Otto Schmiedeknecht, der 1877 bei Ernst Haeckel promoviert wurde. Er hat Forschungsreisen in die Mittelmeerregion unternommen – unter anderem nach Ägypten – und eventuell direkt vor Ort eingekauft. „Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts herrschte eine regelrechte Mumienmanie und der Handel florierte“, sagt Paust. „Nicht nur wissenschaftliche Institutionen kauften ein, die mumifizierten Leichen bzw. Leichenteile wurden sogar zu Pulver gemahlen und als Medizin oder Aphrodisiakum gehandelt.“

Überreste von 15 verschiedenen Personen

Der Mangel an Informationen lässt zudem kaum Aussagen zu den verstorbenen Menschen zu. Zumindest führten die Untersuchungen im Rahmen des aktuellen Projekts – unter anderem durch radiologische Methoden am Universitätsklinikum Jena – zu weiteren Erkenntnissen: So waren die beiden südamerikanischen Kinder zum Zeitpunkt ihres Todes unter einem bzw. ein bis anderthalb Jahre alt. Die Mumienfragmente der Stücke aus Ägypten stammen von drei männlichen und zwei weiblichen Personen, bei weiteren acht Überresten lassen sich keine Angaben machen. „Zwei der Verstorbenen waren möglicherweise miteinander verwandt, da sie identische epigenetische Merkmale aufweisen“, sagt Paust. Eine DNA-Analyse sei generell nicht möglich gewesen, da das Genmaterial zu beschädigt sei. Alle Mumien stammen aus nachchristlicher Zeit, genauere Angaben sind aber aufgrund des Erhaltungszustands nicht möglich.

Vielsagendes Gewebe

Ein besonderes Augenmerk legte das Jenaer Forschungsteam auf die Gewebe, mit denen die Mumien eingewickelt sind. „Bisher konzentrierten sich die Forschungen bei solchen Stücken in der Regel auf anthropologische Untersuchungen und den Mumifizierungsprozess. Wir haben die Textilrestauratorin Friederike Leibe-Frohnsdorf hinzugezogen, die sich beispielsweise die vorliegenden Gewebearten und die Fadendichte genau angeschaut hat“, sagt der Biologiehistoriker Prof. Dr. Uwe Hoßfeld, der ebenfalls am Projekt beteiligt ist.

Große Unterschiede in der Gewebefeinheit lassen darauf schließen, dass die Textilien, mit denen die ägyptischen Mumien umwickelt waren, für einen unterschiedlichen Gebrauch hergestellt waren und etwa auch als Bekleidung gedient haben könnten, so die Forschenden. Und auch das Material liefere wertvolle Informationen: Die Gewebe bestünden in erster Linie aus Flachs oder Hanf, die Verwendung von Baumwolle bei einigen Stücken gebe aber womöglich eine Datierungshilfe. Denn die frühesten Textilien aus Baumwolle, die in Nordafrika gefunden wurden, stammten aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. Hierbei handele es sich um Importware aus Indien. Dass unversponnene Fasern an den zwei Mumienteilen in der Jenaer Sammlung vorliegen, könne aber auch auf einen Baumwollanbau vor Ort deuten, der erst ab dem 1. nachchristlichen Jahrhundert nachzuweisen sei, so das Ergebnis der Jenaer Expertinnen und Experten.

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