Haiti: Demokratie sieht wahrlich anders aus!

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Datum: 08. Dezember 2010
Uhrzeit: 18:54 Uhr
Ressorts: Editorial
Leserecho: 1 Kommentar
Autor: Dietmar Lang
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► Der 3-Fronten-Krieg gegen Wahlbetrug, UN und Cholera

Der erste Wahlgang in Haiti ist vorbei und alles sieht danach aus, als ob der Urnengang die Situation im Land weiter verschlimmert. Von Demokratie ist nichts zu sehen. Die Farce vom 28. November, als 4,7 Millionen Wahlberechtigte ihre Stimme abgeben sollten, hat in der Verkündung des offiziellen vorläufigen Ergebnisses am gestrigen Dienstag (7.) ihren traurigen Höhepunkt gefunden.

Aber alles der Reihe nach: Umfragen haben im Vorfeld Michel Martelly favorisiert, einen bekannten Musiker des Landes. Daneben lag die ehemalige First Lady Mirlande Manigat weit vorne. Regierungskandidat Jude Celestin war bereits bei den Prognosen auf die Plätze verwiesen worden.

So gestalteten sich auch die ersten Zwischenergebnisse nach dem Wahltag, bei dem allerdings lediglich 1.074.056 Stimmen abgegeben wurden. Die Wahlbeteiligung lag damit bei 22.87 Prozent, ein erschütterndes Ergebnis, welches jedoch gleichwohl von der provisorischen Wahlkommission als auch von den OAS- und UN-Beobachtern für rechtmäßig erklärt wurde. Allen Plünderungen von Wahllokalen, Einschüchterungen der Wähler und im Rinnstein liegenden Wahlurnen zum Trotz.

Nochmals kurz zurück zum Wahltag. Da wollten 12 der 19 Kandidaten die Wahl annullieren, eben wegen dieser „Unregelmässigkeiten“. Wahllisten waren unvollständig, Wähler waren aufgeführt – obwohl sie an der Cholera gestorben waren, oder Leute bekamen gesagt, sie hätten doch gerade schon gewählt. Das sorgte bei den Politikern für Entsetzen. Zumindest für eine Nacht.

Doch als aus angeblichen UN-Quellen durchsickerte, dass Martelly mit 38 Prozent vorne lag, gefolgt von Manigat mit 31 Prozent, da wollten beide davon nichts mehr wissen. Man habe über die Möglichkeit der Unterzeichnung eines entsprechenden Antrages auf Annullierung beraten, am Ende jedoch keinesfalls unterschrieben. Man werde die Wahl wohl doch anerkennen, so beide unisono nur Minuten nach den angeblichen Zwischenständen.

Gut eine Woche später nun kam die kalte Dusche, zumindest für den Popstar „Sweet Mickey“ mit Zweitwohnsitz in Florida. Am Ende lag er mit 21,84 Prozent genau 6.845 Stimmen hinter Jude Celestin, der auf 22,48 Prozent kam. Strahlende Siegerin war die 70-jährige Präsidentengattin mit 31,37 Prozent. Sie und der Wunschkandidat von Amtsinhaber René Préval gehen nun in die Stichwahl, Martelly ist aus dem Rennen.

Bei den Anhängern kam dies nicht gut an. Wieder flogen Steine, brannten Autos und Reifen, wurden Barrikaden errichtet. Der Verkündung des Ergebnisses folgte eine Nacht der Gewalt, verbranntes Gummi und Tränengas lag in der Luft. Doch damit nicht genug: am Mittwoch ging erst einmal das Hauptquartier der Regierungspartei INITE in Flammen auf. Fanatische Anhänger des augenscheinlich betrogenen Martelly werden dafür verantwortlich gemacht, Gegenreaktionen werden nicht lange auf sich warten lassen.

Die Spirale der Gewalt beginnt sich also gerade erst zu drehen. Verstärkt wird die grenzenlose Wut bezüglich fehlender Gerechtigkeit durch die Anwesenheit von UN-Blauhelmsoldaten und Cholera-Erreger. Hinzu kommen die politischen Feinde. An drei Fronten zu kämpfen wird Opfer kosten – die Demokratie ist das Erste!

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Die Kolumne von latinapress Herausgeber Dietmar Lang – Gedanken und Erfahrungen über das Leben in Lateinamerika und der täglichen Berichterstattung von Nachrichten aus Südamerika und der Karibik.

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  1. 1
    Sukowsky

    Tja, Haiti cherie jeder gegen jeden und kein Ende abzusehen.
    Die obigen Herren und Damen stecken ihren langen Rüssel immer dorthin wo sie ihre löchrigen Taschen füllen können und für ihren persönlichen Schutz haben sie den Voodoozauber.
    Lieber Herrgott hab ein einsehenfür die Menschen die dich brauchen in Haiti.

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