Deutschland wird seinen Bedarf an grünem Wasserstoff und Folgeprodukten künftig zu einem großen Teil durch Importe decken. Mit seinem hervorragenden Solarpotential, und stabilen ökonomischen Bedingungen kann Chile einen wichtigen Beitrag für die Erzeugung von grünem Wasserstoff und Derivaten liefern – und damit auch eine zentrale Rolle bei der Versorgung Deutschlands mit den klimafreundlichen Energieträgern einnehmen. „Mit unserer Begleitforschung tragen wir wesentlich dazu bei, das Potenzial Chiles zur Produktion CO2-neutraler Energieträger zu erschließen. Dabei forschen wir entlang der gesamten Wertschöpfungskette für die Herstellung von PtX-Produkten und optimieren nicht nur die Prozesskette der Erzeugung, sondern bewerten auch mögliche lokale und internationale Absatzmärkte und Geschäftsmodelle“, erklärt Projektleiterin Dr. Ramona Schröer vom Fraunhofer IEE.
Die Koordination dieses Forschungsprojektes namens „Power-to-MEDME-FuE“ liegt in den Händen des Fraunhofer IEE. Daneben sind die Fraunhofer-Institute ISE, IMM, ISC/HTL, IAP, IKTS und Fraunhofer Chile beteiligt sowie der Lehrstuhl für Thermodynamik mobiler Energiewandlungssysteme der RWTH Aachen und das RILLL Research Institute on Lifelong Learning. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert das Vorhaben mit über 11 Millionen Euro.
Optimierung der Prozesskette: Weniger Kosten, mehr Effizienz
Im Rahmen des dazugehörigen Investitionsprojektes „Power-to-MEDME“ plant die Linde GmbH im Norden Chiles eine Pilotanlage zu errichten, die je nach Marktlage grünes Methanol oder Dimethylether (DME) im Megawatt-Bereich produziert. Beide Energieträger lassen sich unter anderem als Kraftstoffersatz für den Transportsektor sowie u.a. lokal im Bereich Bergbau einsetzen. Den benötigten Strom liefert ein lokales Sonnenwärmekraftwerk (CSP).
Um die Produktion kostengünstig und effizient gestalten zu können, verfolgen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler neben etablierten Verfahren auch innovative Technologieansätze. Außerdem untersuchen die Forschenden die gesamte Prozesskette mittels verschiedener Simulationen. Unter anderem wird ein digitaler Zwilling für die Methanol- und DME-Synthese erstellt. Zugleich ermitteln sie damit die optimalen technischen, wirtschaftlichen und auch ökologischen Parameter einer großskaligen Methanol- und DME-Synthese.
Die Ergebnisse der Simulationen nutzen die Forschenden auch, um den Einsatz vorhandener Technologien zu bewerten sowie die Prozesskette fortlaufend zu optimieren. So nehmen sie etwa Vergleiche der verschiedenen industriell verfügbaren Elektrolyse-Technologien vor. Dabei berücksichtigen sie auch die Meerwasserentsalzung, da sich die anfallende Abwärme dort einsetzen lässt. Ebenso führen sie umfassende technoökonomische Analysen durch, unter anderem zur Kalkulation der Gestehungskosten.
Forschung zu Materialien und Werkstoffen
Im Rahmen von „Power-to-MEDME-FuE“ befassen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch mit den Materialien und Werkstoffen, die für die einzelnen Schritte der Prozesskette benötigt werden. So entwickeln sie unter anderem Katalysatoren für die Elektrolyse. Das für die Methanol- und DME-Synthese in der Pilotanlage benötigte Kohlendioxid liefert eine chilenische Zementfabrik. Dafür wird eine Abscheideanlage installiert, die CO2 aus dem Drehrohrofen des Werks gewinnt. Für diese Aufgabe erstellen die Forschenden ein Sensorik- und Regelungskonzept, das eine effiziente Prozessführung ermöglicht. Darüber hinaus erheben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Daten für die Gestaltung der Transportlogistik, mit Blick auf den Einsatz von DME und anderen Power-to-X-Kraftstoffen in Chile als auch für den Export.
Skalierung benötigt Qualifizierung von Fachkräften
Ein weiteres Themenfeld ist der Einsatz der Energieträger in der Praxis. So soll das erzeugte DME zunächst als Kraftstoff in Bestandsflotten für den Schwerlast- und Offroad-Transport verwendet werden. Konkret befassen sich die Expertinnen und Experten hier unter anderem mit der Bewertung von Retrofit-Konzepten zur Umrüstung von Fahrzeugen auf die neuen Kraftstoffe sowie mit Nachweisen zu ihrer Konformität mit Emissionsnormen. Auch die Bewertung der territorialen, sozialen und ökonomischen Aspekte der industriellen Produktion von DME und anderer Wasserstoff-Derivate in Chile ist Teil von „Power-to-MEDME-FuE“, ebenso die Ökobilanzierung der Herstellung und Nutzung von DME und Methanol sowie die Analyse des Energie- und Rohstoffbedarfs.
Zudem identifizieren die Forschenden Geschäftsmodelle, die den Einsatz der Energieträger in der Region ermöglichen. In einem zweiten Schritt nehmen sie dann eine technische und wirtschaftliche Bewertung des Exports vor, auch mit Blick auf die Skalierung der Produktionskapazitäten sowie der erforderlichen Infrastruktur. Damit gekoppelt ist eine Analyse des Marktbedarfs für verschiedene Entwicklungsszenarien und Sektoren. Nicht zuletzt widmet sich das Forschungsprojekt dem Aufbau des nötigen Fachwissens in Chile, da es derzeit noch an einheimischen Fachkräften für den Aufbau und Betrieb von Produktionsanlagen fehlt. Die passgenaue Qualifizierung entlang der gesamten Prozesskette soll sicherstellen, dass für die Skalierung ausreichend Expertinnen und Experten zur Verfügung stehen.
„Ideale Voraussetzungen für Hochlauf und Export“
Fraunhofer Chile war mit Unterstützung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE und des Fraunhofer IEE für die Projektidee Power-to-MEDME und die Konzeptentwicklung verantwortlich. Projektmanager Lars Metkemeyer von Fraunhofer Chile sieht durch das Etablieren einer kompletten Wertschöpfung neuer nachhaltiger Prozesse und Technologien in Chile einen erheblichen Mehrwert für die Entwicklung des Landes. „Der geplante Standort ist dazu einer der attraktivsten weltweit, weil er die außergewöhnlichen solaren Einstrahlungsbedingungen mit einer sehr gut ausgebauten Infrastruktur, ein Zulieferökosystem, die Anbindung an Industriehäfen und einen der weltweit größten Bergbaudistrikte zur lokalen Nutzung von grünem Wasserstoff und seiner Derivate verbindet“, so Metkemeyer. Dazu kommen die institutionelle Stabilität sowie die ambitionierten strategischen Ziele Chiles, sich als eine der wichtigsten Exportnationen für grünen Wasserstoff zu positionieren. „Diese Konditionen schaffen eine ideale Voraussetzung für den späteren Hochlauf und die Etablierung einer Exportroute nach Deutschland und Europa“, sagt der Fraunhofer-Forscher.
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