Mehr als vier Monate sind seit dem Schrecknis vergangen, Millionen zittern immer noch unter Traumata, kleinere Nachbeben erschüttern die Erde immer noch, und die Trümmer meines und hunderttausender anderer Häuser liegen immer noch unberührt an den traurigen Stätten. Das verheerende Erdbeben hinterließ überall Male, Spuren und Veränderungen. Über die persönlichen Veränderungen und Bescherungen habe ich genügend berichtet; es bleibt mir jetzt die Auswirkungen auf Land und Leute zu beschreiben und zu bebildern, stets aus meiner Sicht. Das fürchterliche Erdbeben hat ungezählte Todesopfer gefordert, wovon man bisher 320’000 gefunden hat. Täglich findet man mehr. Das Beben hat auch Millionen von Hausruinen, unendliche Hoffnungslosigkeit und bodenlose Verzweiflung hinterlassen.
Es herrscht eine Phase zwischen Nothilfe, die noch in Koordination ist, und Wiederaufbau, der meist noch nicht stattfinden kann, da bis anhin alles unter Schutt und Schlamm lag und für Baumaschinen unbegehbar war. Aber die Planungsphase für den längst dringenden Wiederaufbau ist voll im Gange. Mindestens eine Million Menschen lebt in Zeltlagern und haben sich recht gut eingerichtet, von den ehemals Obdachlosen haben nun 90 Prozent ein Dach über dem Kopf, immer mehr Schulen sind als Provisorien wieder offen. In den Straßen jedoch ist die Zerstörung noch allgegenwärtig, und viele sind unpassierbar. Das Verkehrschaos ist unbeschreiblich, und man braucht Stunden, um die Stadt auf einer Hauptstraße zu durchqueren.
Millionen von Tonnen Schutt, unter denen sich noch Leichen türmen, versperren das Durchkommen, und man rechnet, dass die Abtragung noch mindestens zehn Jahre an dauern wird. Die Menschen reagieren fatalistisch, mit Galgenhumor, wenigstens kann man über die Schutthalden abrutschen zum Neubeginn, und über die Schlammberge geht es aufwärts – wenn sie einmal trocken sind. Aber sogar das Warten dauert noch ewig, niemand weiß wie lange, und es braucht Geduld, mehr als die meisten haben.
Heute will ich zum ersten Mal mein Haus besuchen, oder was man davon noch erkennt. Ich war noch nie dort, seit dem großen Einsturz, und ich weiß noch nicht, ob und wie man hinkommt, ein Fahrzeug hab ich auch nicht. Aber ein Foto ist endlich überfällig, für meine Familie in Europa, und für meine Leser, auf der ganzen Welt. Das braucht Mut und Zuversicht.
Für latina-press berichte ich exklusiv- direkt vor Ort- von meiner Rückkehr nach Haiti, das sich die Karibikinsel Hispaniola mit der Dominikanische Republik teilt.
Wenn Sie einen Beitrag spenden wollen, ganz vielen Dank !
IBAN: CH07 0840 1016 8028 6350 6
SWIFT: MIGRCHZZ80A
Leider kein Kommentar vorhanden!